Wieder Nachbarn

Das Ende der bayerischen Besatzung in Tirol ermöglicht, dass in den beiden Ländern ein neues Kapitel in der Geschichte aufgeschlagen wird, jenes der guten Nachbarschaft. Doch gerade in Grenzregionen wie dem Werdenfelser Land oder auf dem Seefelder Plateau haben die historischen Ereignisse Wunden geschlagen, die erst über Generationen verheilen werden.

Die alte Grenze, 1766 durch den Karwendel-Vertrag festgelegt, ist ab 1814 wieder in Kraft. Die Zollämter am Grenzübergang in Scharnitz werden teilweise auf den Ruinen der Porta Claudia errichtet. Der aufkommende Sommertourismus prägt die folgende Zeit. 1912 wird mit der Karwendelbahn, auch Mittenwaldbahn genannt, die Zugverbindung zwischen Garmisch und Innsbruck eröffnet. Der Handel blüht auf.

Es ist schließlich wieder die große Politik, die die Entwicklung hin zu einer guten Nachbarschaft unterbricht. Am 29. Mai 1933 verhängt das nationalsozialistische Deutschland Sanktionen gegen Österreich und führt die so genannte Tausend-Mark-Sperre ein: Deutsche Staatsangehörige müssen 1.000 Reichsmark, heute etwa 4.300 Euro, bezahlen, wenn sie nach Österreich reisen; ausgenommen ist nur der kleine Grenzverkehr. Die Sanktion soll den österreichischen Tourismus schwächen.

1938 verschwindet Österreich von der Landkarte. Als Ostmark wird es NS-Deutschland „angeschlossen“. Seine Soldaten kämpfen unter dem Hitler-Regime im Zweiten Krieg. Als die Alliierten 1945 bis nach Mittenwald vorrücken, entsteht wieder eine Frontlinie zu Scharnitz. Die US-Truppen stoßen hier auf Widerstand durch die letzten NS-Kämpfer. Doch lange hält dieser nicht, und die Amerikaner marschieren in Scharnitz ein.

Es sind die letzten Kämpfe an dieser Grenze. In der Nachkriegsordnung sind Deutschland und Österreich Partner in Europa, ab 1995 auch gemeinsam Mitglieder der Europäischen Union und durch das Schengener Abkommen 1998 schließlich ohne sichtbare Grenze in Form von Grenzstationen oder -kontrollen zwischen ihnen.