Eine Grenze entsteht

Staatsgrenzen sind eine relativ junge Erfindung der Politik. Sie kommen erst mit den Nationalstaaten auf, deren Gebiet klar definiert ist. Zuvor umschließen Grenzen eher Eigentum und Besitz und sind mit Marksteinen gekennzeichnet. Wer Besitz hat, muss ihn auch verwalten.

Die kirchlichen Besitztümer, in der Werdenfelser Region im Speziellen die der Benediktiner, sind in der Geschichte verschiedenen Entwicklungen unterworfen. Ihre Hochblüte ist die Zeit der mächtigen Bistümer. Nicht weit von hier entsteht ab 725 eines dieser Fürstbistümer: das Bistum Freising. Bald erlebt es eine kulturelle Hochblüte und dehnt sich weiter aus. So gehört etwa der Inrain in Scharnitz bis zum Jahr 1766 zum Fürstbistum Freising; heute findet sich der Freisinger „Mohrenkopf“ als Wappen des Bistums noch in zahlreichen Gemeindewappen der Region, beispielsweise in dem von Mittenwald.

Neben den Grenzen der kirchlichen Besitztümer prägen auch weltliche Grenzen die Region über die Jahrhunderte. Lang gehört Tirol zu Bayern, 1363 geht das Land an die Habsburger. Unter ihnen wird die Grafschaft von Tirol in Gerichtsbezirken organisiert, wie es sie heute noch im österreichischen Verwaltungssystem gibt. In der Habsburger Zeit wird ein Teil des Seefelder Plateaus vom Schlossberg aus verwaltet, der westliche jedoch von Telfs aus, gehört also zum Gericht Hörtenberg.

Was heute alles Scharnitz ist, wird in früherer Zeit von drei verschiedenen Verwaltungen kontrolliert: dem Bistum Freising, zum dem die Gebiete östlich der Isar gehören, dem Gerichtsbezirk Hörtenberg, dem die Gebiete südwestlich der Isar zugeordnet sind, und dem Gerichtsbezirk Schloßberg, der die Besiedelung südöstlich der Isar verwaltet.

Grenzen sind nicht nur wegen der Besitzungen wichtig. Wer damals über Besitz verfügt, hat die Jagd- und Fischereirechte inne, herrscht über Bauern und Lehensleute und kann auf den Straßen Maut einheben. Gerade die Nord-Süd-Verbindung zwischen Augsburg und Rom wird als Rottstraße immer wichtiger und durch den „Bozener Markt“ in Mittenwald schließlich zu einer bedeutenden Handelsroute. Wer, wie die Tiroler Landesfürsten, Gebietsgrenzen unter seiner Kontrolle hat, kann Zölle einheben. Dafür wird Anfang des 17. Jahrhunderts in Scharnitz am Übergang über die Isar eine Zollstation errichtet – sehr zum Missfallen der bayerischen Fuhrunternehmer.