Besiedelung

Mittenwald gilt als die Mitte des Scharnitz-Waldes. In den ersten 200 Jahren nach seiner Gründung 1098 wächst die Bevölkerung rasch an. Die Menschen roden Teile des Waldes, um Platz für ihre Häuser zu schaffen. Einige der Neubauten haben allerdings einen rein wirtschaftlichen Zweck: Sie dienen dem zunehmend wichtigen Handel. 1470 errichtet die Gemeinde etwa ein erstes großes Ballenhaus, in dem verschiedenste Waren gelagert werden. Raum wird auch den Pilgerreisenden geboten, die durch Mittenwald hier Unterkunft finden. Und schließlich etabliert sich der Instrumentenbau. Die Herstellung von Geigen erlebt vom 17. bis ins 19. Jahrhundert ihre Hochblüte, und noch heute ist Mittenwald für dieses traditionsreiche Handwerk bekannt. Ab dem 19. Jahrhundert gewinnt der Fremdenverkehr an Bedeutung, im 20. Jahrhundert zudem das Militär. Kasernen werden gebaut, Mittenwald zum Garnisonsort. Heute setzt man wirtschaftlich vor allem auf die Möglichkeiten, die der Tourismus Mittenwald bietet.

Scharnitz verdankt seine Gründung ebenfalls der geografischen Lage. Die Handelsstraße quert hier über eine Brücke die Isar. Sie ist so zum Grenzfluss geworden, ihre Überquerung zu einem Grenzübertritt. Schon früh werden Raststationen für Reisende errichtet, etwa der bis heute bestehende Gasthof zum Goldenen Adler direkt an der damaligen Grenze. Weiter im Norden, auf Freisinger Gebiet, können die Reisenden im Rasthof Blaue Traube einkehren. Gegenüber wird ein Ballenhaus errichtet. Der aufkommenden Holzindustrie beschert die Isar einen natürlichen Transportweg. Das Holz wird im Karwendelgebirge geschlagen, auf der Isar hinausbefördert und in Scharnitz verarbeitet. Im Karwendel arbeiten viele Menschen im Bergbau. Sie schürfen vor allem nach Silber, ehe der Abbau hier unrentabel und bei Schwaz im Inntal fortgesetzt wird. Die bei Scharnitz verlaufende Grenze zwischen den Habsburger Gebieten und dem Bistum Freising macht das Dorf zur Grenzgemeinde. Das bringt wirtschaftlichen Aufschwung, denn es müssen mehr Lebensmittel aufgebracht und mehr Waffen geschmiedet werden. Im 20. Jahrhundert ist es auch die Bahn, die Fortschritt und Wachstum nach Scharnitz bringt. Der Tourismus hält Einzug, ebenso die Energiegewinnung. Im Karwendel werden Kraftwerke gebaut, die die Region mit elektrischem Strom versorgen und unverzichtbar werden.

Sowohl Mittenwald als auch Scharnitz wachsen über die Jahrhunderte durch wirtschaftlichen Aufschwung, müssen aber auch manche Rückschläge hinnehmen, erleben Katastrophen und Krieg. Und oft finden sich beide Orte mitten im weltpolitischen Geschehen wieder – ohne Zutun der Menschen hier. Es ist die Grenze zwischen ihnen, die die große Geschichte hierherverschlägt.