Die Absicherung des Nordens

Die Nachschau der Gebrüder Gumpp fiel mit dem Tod von Leopold V. zusammen. Der Abschlussbericht der beiden Architekten wurde bereits von Claudia de’Medici entgegen genommen. Kaum geeignet um einen mächtigen Gegner abzuwehren seien die bestehenden Verteidigungsanlagen in Ehrenberg und Scharnitz, fiel das Urteil aus. Wenig verwunderlich für Scharnitz: im Gegensatz zu Ehrenberg gab es in Scharnitz keine Burg oder Festung, sondern als Verteidigungsmaßnahme wurde die Isar als natürliches Hinderniß mit den Gebirgsketten kombiniert und an leicht zu verteidigenden Stellen Schanzbauten errichtet. Für ein europaweit gefürchtetes modernes Heer wie das der Schweden kein wirkliches Hindernis also.

Claudia zögert nicht lange. Nur kurz nach ihrer Ernennung zur Regentin verfügt sie die bereits begonnenen Ausbauschritte in Ehrenberg fortzuführen und auch Scharnitz sollte ausgebaut werden. Doch wie so oft in der Geschichte sind Finanzierung und Arbeitskräftemangel Gründe für die Verzögerung von dringenden Projekten. Claudia weiß sich auch hier zu helfen: 1633 lässt sie herumvagabundierende Bettlerinnen und Bettler zur “Schanzarbeit” verpflichten. Die Gerichtsbezirke wurden verpflichtet sechs bis zehn gute Arbeiter nach Ehrenberg und Scharnitz zu schicken, darunter Maurer und Zimmerleute. Auch was die Umsetzung der Bauten betraf, mischte sich Claudia persönlich ein, forderte unter anderem auch eine Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit.

Ehrenberg hatte aufgrund der traumatischen Ereignisse 1632 zwar Vorrang. Aber bereits 1633 verfügte Claudia die Errichtung einer Schanze “an der Schernitzpruggen”. Doch es gibt Probleme in Scharnitz: der Grenzverlauf. Die Brücke, die heute inmitten des Dorfes beim Gasthof Goldener Adler über die Isar führt, war damals der Grenzübergang zwischen Tirol und dem Bistum Freising, dem die Gebiete auf der anderen Seite gehörten. Erst 1611 war dort ein Grenzhäuschen errichtet worden.

Die Isar als natürliche Grenze und die Berge zu beiden Seiten des Durchzugstals sind zwar georgraphische Vorteile, doch der Gasthof Goldener Adler kann nicht gut zur Burg um- und ausgebaut werden. Eine Verteidigungsanlage im besiedelten Gebiet  auf Tiroler Boden ist eine schwere bis unmögliche Aufgabe. Eine neue Schanze, die müsse auf der anderen Seite der Isar gebaut werden, bevor der Feind an die Isar gelangt. Claudia muss daher zunächst mit dem Bistum Freising verhandeln, um die Wehranlage überhaupt errichten zu können.

Seit 1618 regierte Veit Adam von Gepeckh als Fürstbischof von Freising. Geboren am 10. April 1584 auf Schloss Arnbach bei Dachau führte der Sohn eines Kloster- und Dachauer Landrichters zunächst ein sehr weltliches Leben, ehe der mehrfache Vater zum Bischof geweiht wurde. Veit Adam von Gepeckh war ein kunstinniger Mann, der bei Peter Paul Rubens in Antwerpen Altarbilder in Auftrag gab oder die Fürstbischöfliche Residenz errichten ließ. Umso brutaler musste der Kriegseinbruch auf ihn wirken, als Freising 1632 von Gustav Adolf überfallen, beraubt und gebrandschatzt wurde. Die Schrecken des Krieges brachten Hunger und Pest über Freising. Die Bitte Claudias den Freisinger Grund für die Errichtung einer Schanze verwenden zu dürfen, erreichte also einen Mann, der die Schrecken des Schwedischen Durchmarsches schon am eigenen Leib erfahren hatte. Die Vereinbarung zwischen Bischof Veit Adam und der Landesfürstin beinhalteten lediglich die Verpflichtung die Rechte auf Almabtrieb, “Pluembesuech”, Holzschlag und andere Nutzungsrechte zu respektieren. Nachdem diese Hürde genommen war, konnte mit der Errichtung der Wehranlage begonnen werden.