Der Karwendel-Vertrag

1740 wird Maria Theresia Regentin von Österreich. Die 1717 in Wien geborene Erzherzogin hat 18-jährig Herzog Franz Stephan von Lothringen geheiratet. Nach dem Tod ihres Vaters, Kaiser Karls VI., wird sie jetzt mit 23 Jahren Herrscherin über das habsburgische Vielvölkerreich. Fünf Jahre später wird ihr Gatte zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt. Von da an führt sie den Titel „Römische Kaiserin“.

Es sind unruhige Zeiten. Unmittelbar nach ihrem Amtsantritt muss Maria Theresia sich dem Österreichischen Erbfolgekrieg stellen. Der Krieg wird acht Jahre dauern, Österreich am Ende Grafschaften und Herzogtümer verlieren. Kriegsglück ist der jungen Monarchin nicht beschieden. Um ihre Position zu stärken, setzt Maria Theresia innenpolitische Reformen um: Sie modernisiert den Staat im großen Stil, führt die Schulpflicht ein, verbessert die Lage der Bauern und schafft die Folter ab.

Auch das Militär kommt nicht zu kurz. Die bitteren Erfahrungen der militärischen Niederlagen lehren die Kaiserin, hier aktiv zu werden. In Wiener Neustadt gründet sie die Militärakademie, die heute noch als „Theresianum“ den Führungskader des österreichischen Militärs ausbildet. Das Heereswesen erfährt eine gründliche Neuordnung. Die militärische Infrastruktur rückt ebenfalls in den Fokus. Und damit wird wieder eine Frau das Schicksal von Scharnitz maßgeblich bestimmen.

In den 1760er-Jahren beschließt Maria Theresia, die zerstörte Schanze in Scharnitz reparieren, ausbauen und verstärken zu lassen. Die schweren Schäden hier drängen zum Handeln. Doch wie schon Claudia de’ Medici stellt sich auch Maria Theresia das bekannte Problem des Grenzverlaufs: Die Wehranlage in Scharnitz steht nicht in Tirol, sondern auf Freisinger Grund.

Die Kaiserin ist allerdings bereits darin geübt, das Gebiet ihres Reiches auf diplomatischem Wege und durch Verhandlungen zu erweitern. Im Grenzproblem mit Freising bietet sich zudem eine günstige Gelegenheit: 1763 wird Clemens von Sachsen Fürstbischof von Freising und Regensburg. Als Prinz von Polen und Sachsen war er zuvor im österreichischen Kriegsdienst in Wien. Daraus ist Clemens wegen seiner schlechten Gesundheit ausgeschieden und in den geistlichen Stand gewechselt. An ihn tritt die Kaiserin nun mit dem Ansinnen heran, den Grenzverlauf bei Scharnitz zu ändern.

Die Verhandlungen zwischen Kaiserin Maria Theresia und Bischof Clemens führen am 28. Mai 1766 zum Abschluss des Karwendel-Vertrages. Darin sind Grenzverschiebungen zwischen dem Fürstbistum Freising und Österreich vorgesehen. Die Grenze zwischen Tirol und Bayern wird von der Isar dorthin verlegt, wo sie im Wesentlichen noch heute verläuft, nämlich am Kamm der nördlichen Karwendelkette und des Wettersteingebirges bis hin zur Zugspitze. Freising tritt das Karwendeltal an Österreich ab.

Im Gegenzug für die Gründe nördlich der Isar erhält Freising die Nord- und Ostseite des Wettersteingebirges. Österreich verzichtet auf seine Rechte am Plattach, auf das Raintal und den Ebenwald.

Durch die neue Grenzziehung steht der Instandsetzung und Verstärkung der Wehranlage in Scharnitz nun nichts mehr im Wege. Sie wird zu einer beeindruckenden Festung ausgebaut.