Der Feind im Inneren

Welche Schäden bewaffnete Feinde anrichten können, hat die Porta Claudia schon erlebt. Auch welche Gefahr Wind und Wetter für sie bedeuten, haben wir erfahren. Doch kann sie vor diesen Gefahren bewahrt werden – ganz im Gegensatz zu einer Gefahr, die von innen kommt und gegen die anzukämpfen unmöglich ist. Denn nun ist es die österreichische Politik, die die Existenz der Porta Claudia bedroht.

Kaiserin Maria Theresia stirbt im November 1780 in Wien. 15 Jahre zuvor hat sie ihren Sohn Joseph zum Nachfolger bestimmt; als Kaiser Joseph II. ist er bereits zu ihren Lebzeiten ihr Mitregent. Joseph II. geht als ehrgeiziger Reformer in die Geschichte ein. Er vertritt den aufgeklärten Absolutismus und will die Macht des Adels und des Klerus zurückdrängen. Besonders die katholische Kirche hat bei ihm einen schweren Stand: Ihren „Konkurrenten“, den Juden und Protestanten, sichert der Kaiser die freie Religionsausübung zu, zugleich lässt er katholische Kirchen und Klöster schließen. Joseph ist der Auffassung, dass nur volkswirtschaftlich relevante Einrichtungen eine Berechtigung haben: Klöster, die sich nicht der Erziehung, der Krankenpflege oder anderen sozialen Aufgaben verschrieben haben, werden aufgelöst.

Der Kaiser setzt zahlreiche Reformen um: Er schafft die Todesstrafe ab, die Verurteilten sollen dem Staat mit Zwangsarbeit dienen. 1781 hebt er die Leibeigenschaft auf und erfährt als Befreier der Bauern große Popularität. Darüber hinaus wird das noch heute als „Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch“ gültige „Josephinische Gesetzbuch“ eingeführt.

Sein Reformeifer konzentrierte sich besonders auf Bereiche, in denen Joseph II. Geldverschwendung ortet. So haben Verteidigungsanlagen wie die Porta Claudia für ihn keinen Sinn. Nach dem Tod des bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph 1777 versucht Joseph II. nämlich, Bayern an Österreich anzuschließen. Er sieht dies als Entschädigung für Gebietsabtretungen in den Niederlanden. Sein Anschlussversuch scheitert jedoch, und im folgenden Bayerischen Erbfolgekrieg stehen sich erneut Österreich und Preußen gegenüber. Nach dem Frieden von Teschen 1779 verfolgt Joseph II. sein Ziel aber weiter und setzt sechs Jahre später die zweite große Initiative für einen Gebietstausch Bayern gegen die Österreichischen Niederlande. Doch auch jetzt will der preußische König Friedrich II. nichts davon wissen.

Weil der Kaiser also über Jahre an seinem Glauben festhält, Bayern eingliedern zu können, sieht er im Erhalt einer Grenzbefestigungsanlage in Scharnitz keinen Sinn. Joseph II. lässt alle nicht mehr benötigten Tiroler Festungen versteigern. Was nicht als Ganzes verkauft werden kann, wird abgebaut und in Einzelteilen zu Geld gemacht.

Dieses Schicksal ereilt 1782 auch die Porta Claudia. Verkaufslisten liegen bis heute auf: So kostet ein Wachhaus 120 Gulden. Dächer, Öfen, Nägel und andere Eisenteile sind bei der Bevölkerung beliebt, und der Verkauf spült frisches Geld in die Staatskasse. Nichts bleibt verschont.

Nach der Demontage der Porta Claudia sind ihre Überreste schutzlos der Witterung ausgeliefert. Ist die nächste Katastrophe nun unvermeidlich? Denn schon bald droht der nächste Krieg.