1703: Die Porta Claudia fällt

1703 sucht der „Bayerische Rummel“ die Region heim. Es ist ein Krieg, in dem sich Bayern und Habsburger gegenüberstehen. Erbittert wird gekämpft. Scharnitz wird neuerlich zum Frontgebiet.

Der „Bayerische Rummel“ ist einer der regionalen Auswüchse des Spanischen Erbfolgekriegs. Am 1. November 1700 stirbt Karl II., König von Spanien und Habsburger. Selbst kinderlos, hat Karl einen Erben eingesetzt: Philipp V., einen französischen Adeligen aus der Königsdynastie der Bourbonen. Die österreichische Linie der Habsburger unter Kaiser Leopold I. sieht diesen möglichen Einfluss der Bourbonen in Spanien als Bedrohung an und unterstützt – letztlich vergeblich – einen anderen Kandidaten.

Wie im Dreißigjährigen Krieg scharen sich rund um die Konfliktparteien zahlreiche Verbündete, die auch ihre ganz eigenen Motive dafür haben. So weitet sich der Erbstreit um den spanischen Thron rasch zu einem Krieg aus, in dem sich die Haager Große Allianz mit den Habsburgern und ein breites antihabsburgisches Bündnis unter der Führung des französischen Königs Ludwig XIV. gegenüberstehen. Die Kämpfe werden sich bis in die Kolonien Nordamerikas auswachsen und bis 1714 andauern.

Bayern ist im Spanischen Erbfolgekrieg mit Frankreich verbündet, Tirol kämpft auf Seiten der Habsburger. In dieser Konstellation hat Bayern eine Schlüsselfunktion, denn Frankreich befiehlt seine Truppen in Oberitalien in den Norden. Sie sollen in Tirol auf das bayerische Heer treffen, um von hier aus nach Osten Richtung Wien vorzurücken. Diesem Plan folgend entsendet Kurfürst Max II. Emanuel von Bayern seine Truppen, die am 17. Juni 1703 an der Tiroler Nordgrenze stehen. Tags darauf bezwingen sie die Windhausen-Schanze bei Erl, zwei Tage später belagern die Bayern Kufstein. Brände greifen hier auf das Pulverlager der als uneinnehmbar geltenden Festung über, die Pulvervorräte explodieren. Kufstein kapituliert am 20. Juni. Am 23. Juni nehmen die Bayern Rattenberg ein, am 25. besetzen sie Hall, am 26. marschieren die bayerisch-französischen Truppen in Innsbruck ein.

Am 28. Juni 1703 greifen die nun aus dem Süden kommenden bayerischen Truppen die verbliebenen Grenzbefestigungen im Norden an: Sie besetzen Ehrenberg, die Leutascher Schanze und auch Scharnitz.

Doch das Kriegsglück der Bayern hält nicht lange an. Bereits drei Tage später schlagen die Tiroler sie im Oberinntal zurück. Von Osten erreichen österreichische Truppen Tirol. Ende Juli bleibt Max II. Emanuel nichts anderes übrig, als seine Truppen über das Seefelder Plateau nach Norden zurückzuziehen und Tirol aufzugeben. Doch bevor die Bayern Scharnitz verlassen, sprengen sie hier das Pulvermagazin in die Luft und zerstören Teile der Wehranlage.

Abfinden wird sich der bayerische Kurfürst mit dieser Niederlage jedoch nicht. Wenig später versucht er nochmals, über Scharnitz in Tirol einzufallen. Um die Wehranlage erneut einnehmen zu können, bedienen sich die Bayern einer List: Ein Mittenwalder Jäger führt sie um die Wehranlage herum. So können die bayerischen Soldaten die Tiroler wieder von hinten überrumpeln. Scharnitz ist eingenommen.

Die Nachricht von der Eroberung von Scharnitz breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Die österreichischen Truppen, die nach der vermeintlichen Abwehr der Bayern abgezogen sind, machen kehrt. Unter General Sigbert Heister marschieren sie wieder Richtung Tirol, um Scharnitz zurückzuerobern. Mit diesem schnellen Einschreiten haben die Bayern nicht gerechnet. Erneut müssen sie sich geschlagen geben, doch vor ihrem Rückzug sprengen sie diesmal die gesamte Wehranlage in Scharnitz.

Siebzig Jahre nach ihrer Errichtung wird die Porta Claudia damit zum ersten Mal zur Ruine.