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1805 - Das Ende der Porta Claudia

Die Porta Claudia ist eine ehemalige Festungsanlage, die über die Jahrhunderte in mehreren Etappen errichtet und ausgebaut wurde. Heute sehen wir von dieser einst stolzen Wehranlage nur mehr eine Ruine. Ihre Überreste können natürlich nicht das vollständige Ausmaß der damaligen Befestigung zeigen. Wie ist es dazu gekommen, dass von der vormals so mächtigen Porta Claudia heute nur mehr verfallene Steinmauern und einige Gewölbe geblieben sind?

Wir zeichnen auf diesem Rundgang den Schlussakt der Porta Claudia als Verteidigungsfestung nach.

Ihren letzten großen Moment hat die Porta Claudia im Jahr 1805, als sie in den Koalitionskriegen ein wichtiges Bollwerk gegen die Truppen Napoleon Bonapartes ist. Schäden und Zerstörungen hat sie über die Jahrhunderte immer wieder erfahren, doch ist sie immer wieder aufgebaut und sogar ausgebaut worden. Die Ereignisse in den Jahren 1805 und 1809 bescheren der Festung allerdings ihr dauerhaftes Ende.

Was schließlich zur völligen Zerstörung der Porta Claudia führen wird, hat seinen Ursprung in der Französischen Revolution. 1791 bis 1793 kommt es in Frankreich zu großen politischen Umwälzungen: König Ludwig XVI. wird in seiner Macht beschränkt und muss der Einführung einer konstitutionellen Monarchie zustimmen. Kurz darauf gerät er mit Österreich und Preußen in Konflikt und erklärt Österreich den Krieg. Preußen tritt an der Seite der Habsburger in den Krieg ein. Für Frankreich verläuft der Krieg schlecht, was den Monarchen zusätzlich schwächt. Schließlich wird die königliche Familie verhaftet. Am 21. September 1792 wird die Republik ausgerufen, Ludwig XVI. vier Monate später hingerichtet.

Das schreckt die Herrschenden in Europa auf. Sie schließen sich mit Österreich und Preußen zur so genannten Ersten Koalition zusammen und kämpfen gegen das revolutionäre Frankreich, um dort die Monarchie wieder herzustellen.

Dieser Erste Koalitionskrieg endet 1797 mit einem Friedensschluss zwischen Frankreich und Österreich. Bis dahin ist einem Mann sein politischer Aufstieg gelungen: dem Korsen Napoleon Bonaparte. Er hat zur Zeit der Revolution in der französischen Armee Karriere gemacht und als General in den Feldzügen in Ägypten und Italien an Popularität gewonnen. 1799 gelangt er durch einen Staatsstreich an die Macht und regiert Frankreich zunächst als Erster Konsul in einem Triumvirat, ab 1804 als Kaiser der Franzosen. Tirol wird unter seiner Herrschaft besonders leiden, Scharnitz schweren Schaden nehmen.

Der Krieg erreicht Tirol

Bereits im Ersten Koalitionskrieg erlangt Napoleon Bonaparte den Ruf eines siegreichen Feldherrn. Im Italienfeldzug kämpft er als Oberbefehlshaber einer Armee, die den Österreichern und Piemontesen in Zahlen unterlegen und teilweise auch schlechter ausgerüstet ist. Trotzdem bringt Napoleon seinen Gegnern mit kluger Taktik bei mehreren Schlachten vernichtende Niederlagen bei.

Dies bewegt Sardinien-Piemont im Mai 1796 zum Friedensschluss. Nun kann sich Napoleon auf Österreich konzentrieren. Er lässt Mantua monatelang belagern, bis die Stadt schließlich am 2. Februar 1797 kapituliert.

Noch während der Belagerung von Mantua hat Napoleon die Tiroler dazu aufgerufen, dass sie die französischen Truppen beim Durchmarsch nach Osten Richtung Wien nicht behindern sollten – dann werde ihr Land verschont. Leisten sie aber Widerstand, greife Frankreich auch sie an. Die Franzosen durchziehen zu lassen, kommt für die Tiroler allerdings nicht in Frage, ist doch durch ihre Wehrverfassung, das Landlibell, die Verteidigung der Heimat vorgeschrieben. So folgen die Tiroler Napoleons Aufruf nicht, sondern bereiten sich auf den bevorstehenden Einmarsch vor. Sie werden sich den Franzosen entgegenstellen.

Als die Truppen Napoleons kurz darauf von Süden in Tirol einmarschieren, hat der Landtag die Landesscharfschützen und Milizen bereits in Stellung gebracht. Es kommt zu schweren Kämpfen in der heutigen Provinz Trient, dem damaligen Welschtirol. Ende 1796 müssen sich die Franzosen nach Verlusten nach Mantua zurückziehen. Österreichs Truppen nehmen die Verfolgung auf, doch als sie ihre Gegner im Jänner bei Mantua stellen, erleiden sie eine Niederlage. Napoleon startet eine Gegenoffensive. Seine Einheiten kämpfen sich bis nach Trient vor, das Ende Jänner fällt. Zwei Monate später nehmen die Franzosen Bozen ein, am Tag darauf Klausen, am nächsten Brixen.

Das gesamte Tiroler Aufgebot ist mittlerweile im Raum Innsbruck mobilisiert. Gleichzeitig desertieren österreichische Soldaten zu Hunderten und setzen den vorrückenden Franzosen keinen Widerstand entgegen. Dennoch gelingt es dem Landsturm, die napoleonischen Truppen in einer Reihe von Gegenschlägen zurückzuschlagen und nach Südtirol vorzustoßen. Anfang April müssen die Franzosen Bozen räumen und sich zwei Tage später komplett aus Tirol zurückziehen.

Napoleon gibt den Marsch auf Wien auf. Im Oktober 1797 wird der Erste Koalitionskrieg durch den Frieden vom Campo Formio beendet. Doch der Korse wird den Tirolern nicht verzeihen, dass sie seinen Vorstoß nach Osten vereitelt haben.

Der zweite Koalitionskrieg in Tirol

Noch vor der Machtergreifung Napoleons 1799 bilden die Gegner Frankreichs die zweite Koalition. Der nächste Krieg hat sich bereits im Dezember 1798 angekündigt. Es kommt zu Kämpfen in der Schweiz.

Im März 1799 fällt Finstermünz, und französische Truppen dringen in das Inntal vor. Dank der Tiroler Gegenwehr müssen sie sich aber wieder ins Engadin zurückziehen. Im Jahr darauf überqueren die Franzosen den Rhein und besetzen in einer ersten Angriffswelle München. In einer zweiten sollen sie die aufmarschierenden Österreicher zurückschlagen.

Diesen Angriff im Frühling 1800 führt auf französischer Seite General Lecourbe an. Er drängt die österreichischen Truppen zunächst in den Ammergau, nach Ettal und Mittenwald, zurück. Daraufhin wird das Hauptverpflegungsamt des kaiserlichen Heeres in Seefeld eingerichtet. Um den Österreichern bei ihrem Rückzug Deckung geben zu können, versetzen die Tiroler die Leutascher Schanze und die Festung Scharnitz in Alarmbereitschaft. Am 17. Mai erwarten hier 435 Männer die kaiserlichen Truppen unter General Kray. Drei Tage darauf kommen über Garmisch und Partenkirchen auch Slavonier und Kanoniere nach Mittenwald. Mit diesem allgemeinen Rückzug versammeln sich bis Ende Mai insgesamt 2.300 Soldaten in Scharnitz.

Die Französen führen ihre Offensive gegen Tirol aber zunächst im Außerfern. Im Juni gelingt es den dortigen Schützen und österreichischen Truppen, sie an der Ehrenberger Schanze bei Reutte abzuwehren. Der Sieg Napoleons über die Österreicher in Norditalien erzwingt Mitte Juni jedoch einen Waffenstillstand. Die Festung Ehrenberg muss an die Franzosen übergeben werden. Ihre Offensive gegen das Inntal und auch Richtung Scharnitz, die ihre Truppen bereits bis Oberammergau und Farchant gebracht hat, ist kurzzeitig gestoppt.

Doch der ausgehandelte Waffenstillstand ist zeitlich befristet. Mit seinem Ablauf im September setzen sich die Franzosen wieder in Bewegung und marschieren über das Eschenlainetal auf Mittenwald zu. Es scheint, als stehe nun der Angriff auf Scharnitz unmittelbar bevor. Die französischen Strategen stellen 6.000 Soldaten zum Sturm der Festung auf. Doch wieder verhindern Gefechte an anderen Fronten die Attacke. Im Dezember konzentrieren Frankreich wie Österreich ihre Kräfte schließlich zwischen Salzburg und Linz. Die Schlacht von Hohenlinden am 3. Dezember 1800 bringt die Entscheidung. Sie kostet 12.000 Österreichern das Leben. Damit ist die kaiserliche Armee vernichtend geschlagen und muss kapitulieren.

Noch im selben Monat schließen Frankreich und Österreich einen Waffenstillstand, der Tirol de facto unter französische Besatzung stellt. Im Jänner 1801 rücken französische Militärs in Scharnitz ein. Beeindruckt von der Verteidigungsfestung lassen die Offiziere Lagepläne von der Wehranlage anfertigen und Baupläne abzeichnen.

Im Februar 1801 unterzeichnen Österreich und Frankreich den Friede von Lunéville. Tirol soll so gut wie entmilitarisiert werden. Sowohl die französischen als auch die österreichischen Truppen müssen sich komplett aus Tirol zurückziehen. Am 12. April verlassen die Franzosen Scharnitz. Lange wird der Friede aber nicht anhalten.

Der Krieg ist zurück

Anfang Oktober 1803 brechen neuerlich Kämpfe zwischen Österreich und Frankreich aus. Wieder wird Bayern zum Schlachtfeld. Tirol bleibt davon noch zwei Jahre verschont, ehe die Front bei erneuten Kämpfen im Herbst 1805 bis an seine Grenze rückt und der Krieg nach Mittenwald und Scharnitz zurückkehrt.

In der Schlacht von Elchingen am 14. Oktober sind die französischen Truppen unter dem Kommando von Marschall Michel Ney siegreich. Die österreichischen Truppen schlagen sich auf ihrer Flucht bis nach Innsbruck durch. Von den Berichten über ihre Niederlage alarmiert, verlagert Tirol ein großes Truppenkontingent zu den nördlichen Verteidigungsanlagen. Alleine nach Scharnitz werden 1.000 Soldaten und zehn Kanonen befohlen. Das Kommando in Scharnitz hat Oberstleutnant Robert Swinburne.

Derweil verstärken auch die Franzosen ihr Heer. Bayern und Württemberg, nun mit Napoleon verbündet, stellen Truppen, die die Schlagkraft der Grande Armée erheblich steigern. Österreich verliert neuerlich eine Schlacht gegen Frankreich. Daraufhin beschließen seine Strategen, Truppen aus Tirol abzuziehen, um sie andernorts einzusetzen. Doch dieser Abzug aus Tirol hat Folgen: Der Einmarsch wird so für Frankreich noch attraktiver.

Am 3. November 1805 erreichen 13.000 Soldaten unter Marschall Ney und General Loison Mittenwald. Ihr Befehl lautet, die Leutascher Schanze und die Porta Claudia zu bezwingen und über Seefeld zu marschieren, um so Nordtirol zu besetzen. Loison soll Leutasch unter seine Kontrolle bringen, Ney die Festung Scharnitz überwinden.

Doch in Tirol ist man auf die herannahende französische Armee vorbereitet. Mehrere Schützenkompanien, unter anderem aus Sterzing und Steinach am Brenner, marschieren auf, um die Verteidigungslinie in Scharnitz zu verstärken. Noch in der Nacht zum 4. November erreichen Einheiten des Landsturmes aus allen Teilen Tirols die Porta Claudia, sodass sich in den frühen Morgenstunden 1.400 Männer mit zwölf Kanonen dort versammeln. Die Leutascher Schanze ist mit 600 Soldaten und drei Kanonen besetzt.

Tags zuvor hat Marschall Ney von den Tirolern die sofortige Kapitulation und die Übergabe der Festung gefordert. Er wiederholt seine Aufforderung noch zwei weitere Male.

Doch die Tiroler reagieren darauf mit einem Angriff und schaffen es zunächst, die Franzosen nach Mittenwald zurückzudrängen. Der Ausfall dient der Ablenkung. Denn unter dem Sturmgeläute und Donnern der Kanonen räumen die Scharnitzer ihr Dorf. Sie packen ihre Sachen und ziehen sich in die Karwendeltäler zurück, um dort vor Kämpfen und Übergriffen sicher zu sein.

Marschall Ney

Marschall Michel Ney, der die französischen Truppen 1805 gegen Tirol anführt, ist einer der höchsten Militärs seiner Zeit. Geboren 1769 in Saarlouis besucht der junge Michel das Gymnasium, ehe er sich der Rechtspflege zuwendet und als Notarlehrling, später als Schreiber bei der Staatsanwaltschaft tätig ist. 1788 tritt Ney in die Armee ein und bringt es in der Zeit der Französischen Revolution bis zum Unteroffizier. Es folgen weitere Beförderungen zum Capitaine, Brigadegeneral und schließlich zum Divisionsgeneral. Seinen höchsten Rang erreicht er unter Napoleon: Ney wird 1805 zum Reichsmarschall – im Französischen Maréchal dʼEmpire – befördert.

Verdient hat sich Ney diese Beförderung durch sein diplomatisches Geschick. Nach dem Friedensschluss von 1801 hat er die Position des französischen Gesandten in der Schweiz inne. Hier trägt er maßgeblich dazu bei, dass sich die ursprünglich zentralistische Helvetische Republik zur dezentralisierten Schweizerischen Eidgenossenschaft wandelt. Ihre föderalistische Struktur gilt in Europa noch heute als Vorbild.

Nach seiner Beförderung zum Marschall leitet Ney mehrere erfolgreiche Offensiven gegen Österreich, darunter die von 1805, durch die er in Tirol Bekanntheit erlangt. Seine späteren Einsätze führen ihn gegen Preußen und weiter in den Osten. Der Russlandfeldzug 1812 gerät für Frankreich allerdings zum Desaster. Von den Russen verfolgt, quält sich die Grande Armée zurück nach Mitteleuropa. Ney hat die Aufgabe, mit der Nachhut den Rückzug abzusichern und der Armee damit Zeit zu verschaffen. In einem der Gefechte entgeht er nur knapp der Gefangenschaft.

Ney, der noch vor dem Russlandfeldzug zum Herzog von Elchingen ernannt worden ist, wird 1814 Kommandant der Kaiserlichen Garde. Als solcher führt er die letzte Verteidigungslinie Napoleons in Paris an, als die Koalitionstruppen vor den Toren der französischen Hauptstadt stehen. Das Gefecht um Paris geht verloren, die Gegner marschieren ein.

Da Ney ein Vertrauter Napoleons und nicht ohne Einfluss auf ihn ist, versuchen ihn die Koalitionsmächte auf ihre Seite zu ziehen. Die Aussichtslosigkeit des Kampfes vor Augen stellt der General sich schließlich auf die Seite der Bourbonen, die von den Habsburgern unterstützt worden sind. Ney bemüht sich, Napoleon zur Abdankung zu überreden. Dieser fügt sich schließlich und wird auf die Insel Elba verbannt. Der neue König Ludwig XVIII. revanchiert sich bei Ney, indem er ihn zum Pair von Frankreich ernennt und ihm den Oberbefehl über die sechste Militärdivision überträgt.

Als Napoleon 1815 von Elba zurückkehrt, schließt Ney sich ihm aber neuerlich an. An seiner Seite kämpft er dann auch als Oberbefehlshaber einer Einheit in der Schlacht bei Waterloo – in jener Schlacht, die Napoleons Schicksal besiegelt: Seine „Herrschaft der Hundert Tage“ ist beendet, er selbst wird nach St. Helena verbannt.

Neys Loyalitätsbruch gegenüber Ludwig XVIII. hat allerdings schlimmere Konsequenzen. Polizeiminister Fouché lässt zahlreiche Überläufer verhaften, der prominenteste Offizier unter ihnen ist Michel Ney. Er wird wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und am 7. Dezember 1815 hingerichtet.

Oberstleutnant Swinburne

Neys Gegenspieler auf österreichischer Seite in der Schlacht um die Porta Claudia 1805 ist Oberstleutnant Robert Thomas Freiherr von Swinburne. Geboren 1763 in der englischen Grafschaft York, beginnt er seine militärische Karriere in den Koalitionskriegen im Dienste der kaiserlich-königlichen Armee. Rasch steigt Swinburne auf: 1782 noch Fähnrich, ist er 1784 Unterleutnant, 1788 Oberleutnant, 1793 Hauptmann, 1800 Major, 1804 schließlich Oberstleutnant und 1806 Oberst. 1809 erhält er nach der Schlacht von Aspern die Ernennung zum Generalmajor. 1838 tritt er in den Ruhestand und lebt als Freiherr bis zu seinem Tode elf Jahre später.

Tapferkeit, Mut und Kriegsgeschick sind die wesentlichen Gründe für Swinburnes raschen Aufstieg in der Armee: Gegnern leistet er beharrlich Widerstand, bedient als Mitglied der Infanterie sogar Kanonen, wenn es nötig wird. Mehrfach trägt der Freiherr aus den Kämpfen Verwundungen davon. Für seinen Einsatz erhält er zahlreiche Auszeichnungen. Diese außergewöhnliche Reputation bringt Swinburne schließlich das Kommando über die Truppen in Scharnitz ein. Die Franzosen haben mit Marschall Ney einen Mann auf ihrer Seite, dessen Ruf militärischer Genialität ihm vorauseilt. So bieten die Österreicher mit Swinburne ebenfalls eine lebende Legende auf, einen Mann, dem sie zutrauen, Ney zu besiegen.

Am 13. Oktober 1805, einen Tag vor der Schlacht von Elchingen, in der die Franzosen unter Marschall Ney die kaiserlichen Truppen in die Flucht schlagen werden, erhält Swinburne das Kommando über die Festung in Scharnitz. Sein Bataillon besteht aus einem Detachement der Erzherzog-Karl-Infanterie und weiteren Kontingenten aus den Tiroler Landmilizen. Mit ihnen soll er den Pass in Scharnitz halten. Was zunächst eine reguläre Grenzverteidigung sein soll, wird allerdings zu einem Desaster werden. Meint die österreichische Führung, mit Swinburne ebenso abschreckend zu wirken wie Marschall Ney umgekehrt, so unterläuft sie diese Strategie mit dem Abzug ihrer Truppen aus Tirol. Die französisch-bayerischen Militärstrategen sollten glauben, dass ein Einmarsch in Tirol nur mit hohem Blutzoll möglich, also zu riskant sei. Der Abzug der österreichischen Armee motiviert die gegnerische Seite nun jedoch, einen Angriff zu wagen.

Swinburne muss der österreichischen Führung melden, dass Marschall Ney mit seinem Heer auf dem Weg nach Scharnitz ist. Am 2. November erhält er neue Befehle: Zweck der Verteidigung ist nicht mehr, die Angreifer am Einmarsch zu hindern, sondern die Festung genau drei Tage zu halten, um den Rückzug der Österreicher durch das Inntal abzusichern. Danach soll die Porta Claudia den Franzosen kampflos übergeben werden.

Diese ahnen jedoch nichts von den österreichischen Befehlen. Und so kommt es zur blutigsten Schlacht an der Porta Claudia, ein Sterben, das in mehrfacher Hinsicht sinnlos ist.

Die Porta Claudia fällt, die Franzosen marschieren in Tirol ein, Swinburne wird gefangen genommen. Marschall Ney würdigt allerdings seine militärischen Leistungen. Er lässt Swinburnes Waffen aufbewahren und sie ihm nach seiner Kriegsgefangenschaft mit der Bataillonsfahne zurückgeben. Die Franzosen sehen ihn als militärischen Helden, wenn auch auf gegnerischer Seite, und bedenken ihn dafür mit Respekt.

Die Umgehung - Der Anfang vom Ende

Es ist der 4. November 1805. Marschall Neys Truppen bereiten sich bei Mittenwald auf den nächsten Kampf vor. Die Aufforderung zur Kapitulation haben die Tiroler mit einem Ausfall beantwortet, der die französisch-bayerischen Truppen gezwungen hat, sich hierher zurückzuziehen.

General Loison erhält von Ney den Befehl, sich die wesentlich schwächer besetzte Leutascher Schanze vorzunehmen. Der Marschall selbst wird mit seinen Truppen gegen die Porta Claudia vorgehen. Nochmals fordert er die Scharnitzer auf zu kapitulieren, doch die reagieren mit einem neuerlichen Ausfall und weigern sich aufzugeben. Nach dieser dritten Absage an eine Kapitulation gibt es kein Zurück mehr. Um zwölf Uhr soll die Offensive beginnen.

Derweil findet General Loison für seine Mission gegen die Leutascher Schanze in Mittenwald Helfer. Schon im Spanischen Erbfolgekrieg hundert Jahre zuvor haben die Bayern die Porta Claudia nur von Süden einnehmen können. Dorthin sind sie einmal über die Berge gelangt. Zu den größten Schwächen dieser Grenzverteidigungsanlagen im Norden Tirols gehören also die Pfade, die um sie herumführen. Loison hört auf die Ortskundigen. Ein Mittenwalder Jäger dient ihm als Führer.

Die Tiroler haben die Leutascher Schanze verstärkt. Unter dem Kommando von Major Kraus warten 600 Männer und drei Kanonen darauf, Widerstand gegen die Angreifer zu leisten. Doch das „Alpl“ am Bergrücken nördlich des Leutaschtal-Ausgangs ist mit nur 38 Landstürmern unter der Führung von Matthias Reindl besetzt. Hierher führen die Mittenwalder nun die Franzosen. Sie gehen über den Alpberg und den Grünberg, dann beziehen sie oberhalb der Leutascher Schanze Stellung. Die Tiroler entdecken sie, und es kommt am Puitbach zum Gefecht. Um drei am Nachmittag ist alles vorbei. Die Leutascher Schanze ist gefallen.

General Loison verliert keine Zeit. Er weiß nicht, wie sich der Kampf an der Porta Claudia entwickeln wird, will aber den Tirolern bei Scharnitz eine üble Überraschung bescheren und die Festung von hinten angreifen, Marschall Ney so von der Südseite her unterstützen. Loison entlässt die Leutascher Gefangenen auf ihr Ehrenwort hin und zieht mit seinen Truppen zum Schlossberg. Dort lässt er noch vor Einbruch der Dunkelheit die Straße sperren. Damit ist eine Nachschubroute versperrt, und ein Teil seines Kontingents kann Richtung Scharnitz aufbrechen. Zeit ist nach wie vor ein wichtiger Faktor.

Die Front vor Scharnitz

Nachdem Loison mit seinen Soldaten nach Leutasch aufgebrochen ist, lässt Marschall Ney hier, wo wir gerade sind, seine Geschütze in Position bringen. Die Armee ist ostseitig vor Scharnitz in Stellung gegangen. Ney fordert die Tiroler erneut zur Kapitulation auf. Diese antworten darauf mit einem dritten Ausfall, den seine Kämpfer abwehren können.

Swinburne beobachtet die Franzosen. Dann wendet er sich an seine Truppe und schwört sie auf ein hartes Gefecht ein. Es ist der Namenstag von Erzherzog Karl. In seinem Namen sollen die Tiroler kämpfen und für Namenspatron und Erzherzog die Festung halten. Swinburne packt seine Männer bei ihrer Ehre. Es gelingt ihm, die Moral der Truppe trotz der französisch-bayerischen Übermacht zu heben und sie anzuspornen, die Angreifer zurückzuschlagen.

Auf der anderen Seite gibt Ney den Befehl, die Festung Scharnitz sturmreif zu schießen. Doch den Tirolern gelingt es, die Geschütze auszuschalten. Ney befiehlt nun seiner Infanterie einen Sturmangriff auf das Vorwerk der Porta Claudia. Die Franzosen treffen in einem heftigen Gefecht am westlichen Flügel auf die Artillerie der Tiroler und schalten sie aus. Sie dringen in den Graben vor und schaffen Sturmleitern heran, um die Festung zu erklimmen. Swinburne und seine Leute können die Stürmenden aber zurückschlagen. Ney befiehlt einen weiteren Angriff, diesmal weiter hangseitig im Westen der Anlage. Das ehemalige Blei-Bergwerk dient ihm als Startpunkt für diese Offensive. Den Eingang in dieses Bergwerk können wir heute noch sehen.

Die Tiroler schlagen die Franzosen aber wieder zurück. Insgesamt wehren sie an diesem Tag acht Angriffe auf die Porta Claudia ab. Bei Einbruch der Dämmerung, im November ist dies bereits am späteren Nachmittag, sind 1.800 Angehörige der französisch-bayerischen Armee vor den Toren der Porta Claudia gefallen. Die erschöpften Kämpfer bergen die Leichname ihrer Kameraden und tragen sie in Heustadeln im Ried zusammen, wo sie sie verbrennen. Danach ziehen sich Franzosen und Bayern nach Mittenwald zurück.

Das Denkmal für die Gefallenen

Zum Andenken an jene 1.800 Gefallenen, die 1805 an der Porta Claudia ihr Leben gelassen haben, wird 1890 am Grenzübergang, dort wo einst die Porta Claudia gestanden ist, ein Denkmal errichtet werden. Es sind die Gemeinden Scharnitz und Seefeld, der Seefelder Pfarrer Valentin Dorfner und der Innsbrucker Kronprinz-Rudolf-Veteranenverein, die dies in die Wege leiten.

In ganz Tirol werden dafür Spenden gesammelt, rasch ist die Summe von 550 Gulden beisammen. Selbst Kaiser Franz Josef unterstützt das Vorhaben mit 80 Gulden. Als nächsten Schritt gründen engagierte Persönlichkeiten einen Denkmalausschuss, darunter der Historiker Josef Hirn und der Germanist Josef Wackernell. Die Mitglieder kümmern sich um Platzierung und Finanzierung des Denkmals sowie um die Vergabe der einzelnen Aufträge.

Der künstlerische Entwurf dafür stammt von Michael Stolz, einem Realschulprofessor aus Innsbruck. Auf ihn gehen die Form des Obelisken und die dazugehörigen Gestaltungselemente zurück. Der in der Höttinger Au lebende Steinmetzmeister Ignaz Frantz schlägt den Obelisken aus Sterzinger Marmor. Das Kreuz an der Spitze ist die Arbeit des Innsbrucker Schlossermeisters Valentin Simoni. Die Christusfigur gießt der Jenbacher Hüttenamtsverwalter Andreas Speckbacher, Sohn des berühmten Freiheitskämpfers Josef Speckbacher. Dieser hat 1809 an der Seite Andreas Hofers gekämpft. 1805 war er als einfacher Schütze bei den Schlachten in Scharnitz dabei. Seine Enkelin Luise Speckbacher stiftet das Bild des Denkmals.

Der Ausschuss organisiert für den 13. Juli 1890 eine feierliche Einweihung. Zugegen sind der Tiroler General Beck, Mitglieder von zwölf österreichischen Veteranenvereinen und einem aus Mittenwald, zahlreiche Fahnenabordnungen und zwei Musikkapellen.

1979 wird das Denkmal von der Schützenkompanie Scharnitz und mit finanzieller Unterstützung des Schwarzen Kreuzes in vielen freiwilligen Arbeitsstunden restauriert. Bei einer Gedenkfeier weiht Dorfpfarrer Josef Singer es neu ein. Neben den Abordnungen der Schützenkompanien aus Scharnitz und Mittenwald ist als besonderer Ehrengast und Vertreter Frankreichs Baron Ellin Rothschild anwesend.

In der Bevölkerung wird das Denkmal oft als „Franzosendenkmal“ bezeichnet, da es ausschließlich den 1.800 Gefallenen aus der französischen Armee gewidmet ist. Die Männer, die 1805 auf österreichischer Seite im Kampf den Tod gefunden haben, sind auf den umliegenden Dorffriedhöfen begraben worden. Für die Gefallenen von 1809 gibt es in Scharnitz ein Gemeinschaftsdenkmal. In jenem Jahr sind Franzosen, Bayern und Tiroler gemeinsam bestattet worden.

Die Porta Claudia fällt

Während Franzosen und Bayern am 4. November 1805 1.800 Tote zu beklagen haben, sind unter Swinburnes Kommando hundert Tiroler gefallen. Der Rückzug der Angreifer in der Dämmerung lässt den Oberstleutnant hoffen, bis zum nächsten Morgen eine Kampfpause zu haben. Doch um zehn Uhr abends erreicht ihn ein Bote mit der Nachricht, dass Leutasch gefallen ist. Swinburne ist klar, dass Scharnitz von hinten angegriffen werden wird. Nun muss er schnell handeln, um den Weg nach Innsbruck freizuhalten und zu verhindern, dass die Franzosen über den Schlossberg nach Scharnitz durchstoßen.

Swinburne befielt seinen Truppen, den raschen Rückzug vorzubereiten. Er selbst bricht noch in der Nacht mit einem Kontingent und zwei Kanonen Richtung Seefeld auf, um den Schlossberg zu sichern. Bei Tagesanbruch, gegen fünf Uhr früh, trifft er dort auf den Vorposten der Franzosen, etwa 200 Soldaten. Es kommt zu Gefechten. Den Tirolern gelingt es, ihre Gegner zu zerstreuen, drei Offiziere und fünfzig Soldaten nehmen sie gefangen. Fürs Erste scheint der Weg nach Innsbruck frei zu sein. Aber Swinburne weiß, dass dieser alles andere als leicht werden wird.

Die Kämpfe am Schlossberg haben Loisons Division alarmiert. Sie bieten eine Verstärkung auf, die kurz vor Seefeld auf das bereits dezimierte Bataillon Swinburnes trifft. Im Kampf gelingt den Dragonern ein Ausbruch, sie stoßen bis fast in den Ortskern vor. Doch die Franzosen sind übermächtig. Swinburne erkennt die Aussichtslosigkeit seines Kampfes. Im Wissen, das Vorrücken der Franzosen Richtung Innsbruck zumindest verzögert zu haben, kapituliert er.

General Loison schickt daraufhin 4.000 Männer nach Scharnitz, die die Porta Claudia wie geplant von hinten übernehmen. Die Tiroler müssen sich ergeben und öffnen Marschall Ney die Tore. Dieser hält sich nur kurz in Scharnitz auf. Er ordnet an, dass die Befestigungsanlage zerstört wird, damit sie künftig kein Hindernis mehr sein kann. Die Porta Claudia wird gesprengt. Ney bricht mit seinen Truppen nach Innsbruck auf. Am 6. November marschiert er in die Stadt ein.

Am 2. Dezember 1805 verliert Österreich die Schlacht von Austerlitz und muss Tirol noch im selben Jahr im Frieden von Pressburg an Bayern abtreten. Nun zeigt sich, dass Napoleon die militärischen Demütigungen durch die Tiroler nicht vergessen hat: Der Name Tirol wird verboten, das Land in die bayerischen Verwaltungskreise Eisack, Etsch und Inn aufgeteilt. Die Beamtenschaft wird ausgetauscht, der Tiroler Landtag aufgelöst.

Tirol erhebt sich

Unter der napoleonischen Besatzung sind die Tiroler zunehmenden Repressionen ausgesetzt. Als sie 1809 zum Kriegsdienst in die französische Armee eingezogen werden sollen, ist dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Bevölkerung weigert sich, die geforderten 1.000 Männer zu stellen. Immerhin gilt seit dem 16. Jahrhundert, dass Tiroler nur für die Verteidigung ihres eigenen Landes und nicht für fremde Mächte im Ausland kämpfen müssen – garantiert im Landlibell. Hundert bayerische Soldaten sollen nun aber in Axams eine Zwangsrekrutierung erzwingen. Doch es kommt anders: Ein heimlich aufgestellter Landsturm stellt sich den Bayern entgegen, entwaffnet sie und nimmt sie gefangen.

Daraufhin erheben sich die Tiroler in allen Landesteilen. Bayern ist nicht stark genug, um die Ordnung allerorts aufrechtzuerhalten. Da Napoleon die französischen Truppen gegen Österreich verlegt hat, schlagen bayerische Soldaten unter französischem Generalkommando die Aufstände nieder. Als die Franzosen im April Kämpfe gegen Österreich eröffnen, setzen die Tiroler zum systematischen Widerstand gegen die Besatzung an.

Am 11. April 1809 besetzen Unterinntaler Schützen unter Josef Speckbacher Volders, tags darauf erobern die Oberinntaler Schützen unter Major Martin Teimer die Innbrücke und nehmen die bayerischen Besatzer in Innsbruck gefangen, einen Tag später besetzen Andreas Hofers Leute Bozen. Die Schützenkompanien befreien Tirol aus der Besatzung, und nun rückt auch die österreichische Armee wieder in Tirol ein. Sie zieht Richtung Trient weiter, um die Franzosen dort zu vertreiben. Das gelingt am 26. April.

Im Zuge des Aufstandes hat sich auch in Scharnitz eine Truppe Landstürmer gegen die Besatzungskräfte erhoben. Die Tiroler haben 787 Infanteristen und 140 Männer der Kavallerie unter dem Kommando des bayerischen Brigadiers Max Graf Arco mit voller Wucht angegriffen und sie zum Rückzug bis nach Murnau gezwungen. Seit 7. April sind die Überreste der Porta Claudia wieder im Besitz Tirols.

Scharnitz soll rasch wieder in den Verteidigungszustand versetzt, die zerstörte Porta Claudia so gut es geht hergerichtet und neu befestigt werden. Was repariert werden kann, wird repariert. Am 16. April rückt Major Teimer mit österreichischen Soldaten und den Schützen gegen Mittenwald vor. Graf Arco hat mittlerweile allerdings Verstärkung bekommen. So stoßen Teimers Truppen auf den Widerstand des bayerisch-französischen Heers und werden zurückgeschlagen. Die improvisierten Verteidigungsanlagen in Scharnitz können nicht standhalten und müssen neuerlich aufgeben werden.

Doch jetzt erhält auch Teimer Unterstützung. Eine Innsbrucker Studentenkompanie unter der Führung von Professor Hauptmann Merso schließt sich den Bedrängten an. Sie gehen in die Offensive und schlagen die bayerisch-französischen Truppen zurück. So kann Scharnitz fürs Erste wieder eingenommen werden.

Derweil ist Napoleon gegen Osten gezogen. Am 13. Mai marschiert er in Wien ein und besetzt Österreich. Drei bayerische Divisionen wenden sich daraufhin wieder gegen Tirol. Am 19. Mai ziehen die Truppen unter General François-Joseph Lefebvre in Innsbruck ein. Auch in Mittenwald sammeln sich die Bayern und versuchen Ende Mai, die Überreste der Porta Claudia wieder einzunehmen. Halb Scharnitz geht während der Kämpfe in Flammen auf. Doch diesmal gelingt den Gegnern die Übernahme der zerstörten Festung nicht. Am selben Tag verlieren die Bayern auch die zweite Bergisel-Schlacht und müssen wieder aus Innsbruck abziehen.

Der Aufstand scheitert

Bis jetzt haben die Tiroler ihre Schlachten gegen die bayerisch-französischen Besatzer zwar gewonnen und sich von ihnen befreit. Am 6. Juli 1809 wird die österreichische Armee jedoch bei Wagram geschlagen. Der Kaiser muss daraufhin dem Frieden von Znaim zustimmen. Dieser hat für Tirol weitreichende Konsequenzen: Trotz der eigenen Siege fällt es zurück an Bayern. Wieder einmal ziehen sämtliche österreichische Truppen ab, in Tirol marschiert General François-Joseph Lefebvre als neuer Befehlshaber von 50.000 bayerischen und französischen Soldaten ein. Bei Scharnitz kommen Truppen unter dem Kommando von General Beaumont über die Grenze. Napoleon will an Tirol ein Exempel statuieren und weist General Lefebvre an, mit aller Härte und Brutalität gegen die Aufständischen vorzugehen. Bis 10. August 1809 sollen alle Anführer der Rebellion ihre Waffen abgegeben und sich ausgeliefert haben.

Doch die Härte der Besatzer ficht den Widerstandsgeist in Tirol neuerlich an. Schützen und der Landsturm kämpfen weiter gegen die Besatzer. In der dritten Bergisel-Schlacht am 13. August besiegen sie die Heere Lefebvres und schlagen sie in die Flucht. Die Tiroler besetzen daraufhin alle Grenzpässe, darunter auch den Übergang in Scharnitz, und befestigten sie aufs Neue.

Allerdings sammeln sich die Franzosen in Bayern neu und kehren drei Tage später mit 50.000 Männern zurück. Von allen Seiten stoßen sie nach Tirol vor. Am 26. Oktober überrumpeln sie die Scharnitzer Befestigungen. Die Dorfbevölkerung sucht noch während der Gefechte das Weite und zieht in die Karwendeltäler. Was in Scharnitz bis dahin noch nicht zerstört oder geplündert worden ist, fällt den Franzosen jetzt zum Opfer. Bis auf 14 stecken sie alle Häuser in Brand. Von den Plünderungen bleibt selbst die Kirche nicht verschont.

Die vierte Bergisel-Schlacht am 1. November 1809 endet mit der Niederlage der Tiroler. Das Land wird nun vollständig unterworfen. Die noch verbliebenen Befestigungsanlagen müssen geräumt werden. Was noch an Mauern und Befestigungen übrig ist, wird geschliffen. Die Leutascher Schanze und die Porta Claudia haben damit ihr letztes Kapitel als Verteidigungsanlagen hinter sich gebracht.

Doch die Geschichte schreitet fort. Nach der Niederlage Napoleons 1812 wechseln die Bayern die Seiten. Im August 1813 eröffnen die Alliierten erneut den Krieg gegen Napoleon. Am 3. Juni 1814 wird Tirol wieder mit Österreich vereint.

Wieder Nachbarn

Das Ende der bayerischen Besatzung in Tirol ermöglicht, dass in den beiden Ländern ein neues Kapitel in der Geschichte aufgeschlagen wird, jenes der guten Nachbarschaft. Doch gerade in Grenzregionen wie dem Werdenfelser Land oder auf dem Seefelder Plateau haben die historischen Ereignisse Wunden geschlagen, die erst über Generationen verheilen werden.

Die alte Grenze, 1766 durch den Karwendel-Vertrag festgelegt, ist ab 1814 wieder in Kraft. Die Zollämter am Grenzübergang in Scharnitz werden teilweise auf den Ruinen der Porta Claudia errichtet. Der aufkommende Sommertourismus prägt die folgende Zeit. 1912 wird mit der Karwendelbahn, auch Mittenwaldbahn genannt, die Zugverbindung zwischen Garmisch und Innsbruck eröffnet. Der Handel blüht auf.

Es ist schließlich wieder die große Politik, die die Entwicklung hin zu einer guten Nachbarschaft unterbricht. Am 29. Mai 1933 verhängt das nationalsozialistische Deutschland Sanktionen gegen Österreich und führt die so genannte Tausend-Mark-Sperre ein: Deutsche Staatsangehörige müssen 1.000 Reichsmark, heute etwa 4.300 Euro, bezahlen, wenn sie nach Österreich reisen; ausgenommen ist nur der kleine Grenzverkehr. Die Sanktion soll den österreichischen Tourismus schwächen.

1938 verschwindet Österreich von der Landkarte. Als Ostmark wird es NS-Deutschland „angeschlossen“. Seine Soldaten kämpfen unter dem Hitler-Regime im Zweiten Krieg. Als die Alliierten 1945 bis nach Mittenwald vorrücken, entsteht wieder eine Frontlinie zu Scharnitz. Die US-Truppen stoßen hier auf Widerstand durch die letzten NS-Kämpfer. Doch lange hält dieser nicht, und die Amerikaner marschieren in Scharnitz ein.

Es sind die letzten Kämpfe an dieser Grenze. In der Nachkriegsordnung sind Deutschland und Österreich Partner in Europa, ab 1995 auch gemeinsam Mitglieder der Europäischen Union und durch das Schengener Abkommen 1998 schließlich ohne sichtbare Grenze in Form von Grenzstationen oder -kontrollen zwischen ihnen.

Der Blick auf das Gestern

Was bleibt von der Geschichte der Porta Claudia? Von den Kämpfen 1805 und 1809? Was geben uns die Ereignisse für die Zukunft mit auf den Weg?

Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts gründen engagierte Gemeindemitglieder über die Grenze hinweg Initiativen, deren Mitglieder die alte Wehrruine als kulturelles Erbe betrachten und ihren touristischen Wert sehen. Vielerorts führt der Tourismusboom im 20. Jahrhundert dazu, dass kulturell interessierte Gäste aus den verschiedensten Ländern mehr über Ruinen, alte Burgen und Schlösser wissen möchten. Schließlich wird bekannt, dass es auch in Scharnitz Ruinen gibt, die anzusehen sich lohne. In Scharnitz bemühen sich der seit 1999 bestehende Kunst- und Kulturverein und der 2007 gegründete Verein zum Erhalt der Porta Claudia darum, die Überreste der Wehrruine und ihre historische Bedeutung einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und sie kulturtouristisch zu nutzen.

Die Porta Claudia und ihre Geschichte haben eine europäische Dimension. Aus einem Symbol für Teilung, Grenze und Krieg kann durch Betrachten der dramatischen Ereignisse und ihrer Folgen das Ziel der europäischen Einigung abgeleitet werden: Wir erkennen, wie wertvoll das friedliche Zusammenleben der Menschen unabhängig von Grenzen in einem vereinten Europa ist, in dem Engagement und Zusammenarbeit Ideen, Talente und Fähigkeiten zusammenbringen.

Als das Land Tirol 2009 anlässlich der Tiroler Freiheitskämpfe 200 Jahre zuvor ein Gedenkjahr abhält, sind es in Scharnitz die Grenze und ihre Geschichte, die in den Mittelpunkt rücken. In zahlreichen Veranstaltungen werden die Themen „Grenzen überschreiten“, Zusammenleben „ohne Grenzen“ betont und vermittelt. Künstler verarbeiten ihre Gedanken dazu in Werken, eine geschichtliche Ausstellung bringt den Menschen die Vergangenheit näher, Filme und Musik sind als bayerisch-tirolerische Koproduktionen ein lebendiges Zeugnis der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

Mit der Bildung der Städtepartnerschaft zwischen Scharnitz an der Isar-Quelle und Plattling an der Isar-Mündung 2009 vertiefen sich die Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Tirol und Bayern für Scharnitz weiter. Sie sind die Grundlage und ein Beispiel für die Erfolgsgeschichte jener Länder, die sich einst im Krieg begegnet sind und nunmehr in Frieden und Wohlstand gemeinsam in die Zukunft gehen.