Route DUNKELROT/VIOLETT

1805 - Das Ende der Porta Claudia

Die Porta Claudia ist eine ehemalige Festungsanlage, die über die Jahrhunderte in mehreren Etappen errichtet und ausgebaut wurde. Heute sehen wir von dieser einst stolzen Wehranlage nur mehr eine Ruine. Ihre Überreste können natürlich nicht das vollständige Ausmaß der damaligen Befestigung zeigen. Wie ist es dazu gekommen, dass von der vormals so mächtigen Porta Claudia heute nur mehr verfallene Steinmauern und einige Gewölbe geblieben sind?

Wir zeichnen auf diesem Rundgang den Schlussakt der Porta Claudia als Verteidigungsfestung nach.

Ihren letzten großen Moment hat die Porta Claudia im Jahr 1805, als sie in den Koalitionskriegen ein wichtiges Bollwerk gegen die Truppen Napoleon Bonapartes ist. Schäden und Zerstörungen hat sie über die Jahrhunderte immer wieder erfahren, doch ist sie immer wieder aufgebaut und sogar ausgebaut worden. Die Ereignisse in den Jahren 1805 und 1809 bescheren der Festung allerdings ihr dauerhaftes Ende.

Was schließlich zur völligen Zerstörung der Porta Claudia führen wird, hat seinen Ursprung in der Französischen Revolution. 1791 bis 1793 kommt es in Frankreich zu großen politischen Umwälzungen: König Ludwig XVI. wird in seiner Macht beschränkt und muss der Einführung einer konstitutionellen Monarchie zustimmen. Kurz darauf gerät er mit Österreich und Preußen in Konflikt und erklärt Österreich den Krieg. Preußen tritt an der Seite der Habsburger in den Krieg ein. Für Frankreich verläuft der Krieg schlecht, was den Monarchen zusätzlich schwächt. Schließlich wird die königliche Familie verhaftet. Am 21. September 1792 wird die Republik ausgerufen, Ludwig XVI. vier Monate später hingerichtet.

Das schreckt die Herrschenden in Europa auf. Sie schließen sich mit Österreich und Preußen zur so genannten Ersten Koalition zusammen und kämpfen gegen das revolutionäre Frankreich, um dort die Monarchie wieder herzustellen.

Dieser Erste Koalitionskrieg endet 1797 mit einem Friedensschluss zwischen Frankreich und Österreich. Bis dahin ist einem Mann sein politischer Aufstieg gelungen: dem Korsen Napoleon Bonaparte. Er hat zur Zeit der Revolution in der französischen Armee Karriere gemacht und als General in den Feldzügen in Ägypten und Italien an Popularität gewonnen. 1799 gelangt er durch einen Staatsstreich an die Macht und regiert Frankreich zunächst als Erster Konsul in einem Triumvirat, ab 1804 als Kaiser der Franzosen. Tirol wird unter seiner Herrschaft besonders leiden, Scharnitz schweren Schaden nehmen.

Der Krieg erreicht Tirol

Bereits im Ersten Koalitionskrieg erlangt Napoleon Bonaparte den Ruf eines siegreichen Feldherrn. Im Italienfeldzug kämpft er als Oberbefehlshaber einer Armee, die den Österreichern und Piemontesen in Zahlen unterlegen und teilweise auch schlechter ausgerüstet ist. Trotzdem bringt Napoleon seinen Gegnern mit kluger Taktik bei mehreren Schlachten vernichtende Niederlagen bei.

Dies bewegt Sardinien-Piemont im Mai 1796 zum Friedensschluss. Nun kann sich Napoleon auf Österreich konzentrieren. Er lässt Mantua monatelang belagern, bis die Stadt schließlich am 2. Februar 1797 kapituliert.

Noch während der Belagerung von Mantua hat Napoleon die Tiroler dazu aufgerufen, dass sie die französischen Truppen beim Durchmarsch nach Osten Richtung Wien nicht behindern sollten – dann werde ihr Land verschont. Leisten sie aber Widerstand, greife Frankreich auch sie an. Die Franzosen durchziehen zu lassen, kommt für die Tiroler allerdings nicht in Frage, ist doch durch ihre Wehrverfassung, das Landlibell, die Verteidigung der Heimat vorgeschrieben. So folgen die Tiroler Napoleons Aufruf nicht, sondern bereiten sich auf den bevorstehenden Einmarsch vor. Sie werden sich den Franzosen entgegenstellen.

Als die Truppen Napoleons kurz darauf von Süden in Tirol einmarschieren, hat der Landtag die Landesscharfschützen und Milizen bereits in Stellung gebracht. Es kommt zu schweren Kämpfen in der heutigen Provinz Trient, dem damaligen Welschtirol. Ende 1796 müssen sich die Franzosen nach Verlusten nach Mantua zurückziehen. Österreichs Truppen nehmen die Verfolgung auf, doch als sie ihre Gegner im Jänner bei Mantua stellen, erleiden sie eine Niederlage. Napoleon startet eine Gegenoffensive. Seine Einheiten kämpfen sich bis nach Trient vor, das Ende Jänner fällt. Zwei Monate später nehmen die Franzosen Bozen ein, am Tag darauf Klausen, am nächsten Brixen.

Das gesamte Tiroler Aufgebot ist mittlerweile im Raum Innsbruck mobilisiert. Gleichzeitig desertieren österreichische Soldaten zu Hunderten und setzen den vorrückenden Franzosen keinen Widerstand entgegen. Dennoch gelingt es dem Landsturm, die napoleonischen Truppen in einer Reihe von Gegenschlägen zurückzuschlagen und nach Südtirol vorzustoßen. Anfang April müssen die Franzosen Bozen räumen und sich zwei Tage später komplett aus Tirol zurückziehen.

Napoleon gibt den Marsch auf Wien auf. Im Oktober 1797 wird der Erste Koalitionskrieg durch den Frieden vom Campo Formio beendet. Doch der Korse wird den Tirolern nicht verzeihen, dass sie seinen Vorstoß nach Osten vereitelt haben.

Der zweite Koalitionskrieg in Tirol

Noch vor der Machtergreifung Napoleons 1799 bilden die Gegner Frankreichs die zweite Koalition. Der nächste Krieg hat sich bereits im Dezember 1798 angekündigt. Es kommt zu Kämpfen in der Schweiz.

Im März 1799 fällt Finstermünz, und französische Truppen dringen in das Inntal vor. Dank der Tiroler Gegenwehr müssen sie sich aber wieder ins Engadin zurückziehen. Im Jahr darauf überqueren die Franzosen den Rhein und besetzen in einer ersten Angriffswelle München. In einer zweiten sollen sie die aufmarschierenden Österreicher zurückschlagen.

Diesen Angriff im Frühling 1800 führt auf französischer Seite General Lecourbe an. Er drängt die österreichischen Truppen zunächst in den Ammergau, nach Ettal und Mittenwald, zurück. Daraufhin wird das Hauptverpflegungsamt des kaiserlichen Heeres in Seefeld eingerichtet. Um den Österreichern bei ihrem Rückzug Deckung geben zu können, versetzen die Tiroler die Leutascher Schanze und die Festung Scharnitz in Alarmbereitschaft. Am 17. Mai erwarten hier 435 Männer die kaiserlichen Truppen unter General Kray. Drei Tage darauf kommen über Garmisch und Partenkirchen auch Slavonier und Kanoniere nach Mittenwald. Mit diesem allgemeinen Rückzug versammeln sich bis Ende Mai insgesamt 2.300 Soldaten in Scharnitz.

Die Französen führen ihre Offensive gegen Tirol aber zunächst im Außerfern. Im Juni gelingt es den dortigen Schützen und österreichischen Truppen, sie an der Ehrenberger Schanze bei Reutte abzuwehren. Der Sieg Napoleons über die Österreicher in Norditalien erzwingt Mitte Juni jedoch einen Waffenstillstand. Die Festung Ehrenberg muss an die Franzosen übergeben werden. Ihre Offensive gegen das Inntal und auch Richtung Scharnitz, die ihre Truppen bereits bis Oberammergau und Farchant gebracht hat, ist kurzzeitig gestoppt.

Doch der ausgehandelte Waffenstillstand ist zeitlich befristet. Mit seinem Ablauf im September setzen sich die Franzosen wieder in Bewegung und marschieren über das Eschenlainetal auf Mittenwald zu. Es scheint, als stehe nun der Angriff auf Scharnitz unmittelbar bevor. Die französischen Strategen stellen 6.000 Soldaten zum Sturm der Festung auf. Doch wieder verhindern Gefechte an anderen Fronten die Attacke. Im Dezember konzentrieren Frankreich wie Österreich ihre Kräfte schließlich zwischen Salzburg und Linz. Die Schlacht von Hohenlinden am 3. Dezember 1800 bringt die Entscheidung. Sie kostet 12.000 Österreichern das Leben. Damit ist die kaiserliche Armee vernichtend geschlagen und muss kapitulieren.

Noch im selben Monat schließen Frankreich und Österreich einen Waffenstillstand, der Tirol de facto unter französische Besatzung stellt. Im Jänner 1801 rücken französische Militärs in Scharnitz ein. Beeindruckt von der Verteidigungsfestung lassen die Offiziere Lagepläne von der Wehranlage anfertigen und Baupläne abzeichnen.

Im Februar 1801 unterzeichnen Österreich und Frankreich den Friede von Lunéville. Tirol soll so gut wie entmilitarisiert werden. Sowohl die französischen als auch die österreichischen Truppen müssen sich komplett aus Tirol zurückziehen. Am 12. April verlassen die Franzosen Scharnitz. Lange wird der Friede aber nicht anhalten.

Der Krieg ist zurück

Anfang Oktober 1803 brechen neuerlich Kämpfe zwischen Österreich und Frankreich aus. Wieder wird Bayern zum Schlachtfeld. Tirol bleibt davon noch zwei Jahre verschont, ehe die Front bei erneuten Kämpfen im Herbst 1805 bis an seine Grenze rückt und der Krieg nach Mittenwald und Scharnitz zurückkehrt.

In der Schlacht von Elchingen am 14. Oktober sind die französischen Truppen unter dem Kommando von Marschall Michel Ney siegreich. Die österreichischen Truppen schlagen sich auf ihrer Flucht bis nach Innsbruck durch. Von den Berichten über ihre Niederlage alarmiert, verlagert Tirol ein großes Truppenkontingent zu den nördlichen Verteidigungsanlagen. Alleine nach Scharnitz werden 1.000 Soldaten und zehn Kanonen befohlen. Das Kommando in Scharnitz hat Oberstleutnant Robert Swinburne.

Derweil verstärken auch die Franzosen ihr Heer. Bayern und Württemberg, nun mit Napoleon verbündet, stellen Truppen, die die Schlagkraft der Grande Armée erheblich steigern. Österreich verliert neuerlich eine Schlacht gegen Frankreich. Daraufhin beschließen seine Strategen, Truppen aus Tirol abzuziehen, um sie andernorts einzusetzen. Doch dieser Abzug aus Tirol hat Folgen: Der Einmarsch wird so für Frankreich noch attraktiver.

Am 3. November 1805 erreichen 13.000 Soldaten unter Marschall Ney und General Loison Mittenwald. Ihr Befehl lautet, die Leutascher Schanze und die Porta Claudia zu bezwingen und über Seefeld zu marschieren, um so Nordtirol zu besetzen. Loison soll Leutasch unter seine Kontrolle bringen, Ney die Festung Scharnitz überwinden.

Doch in Tirol ist man auf die herannahende französische Armee vorbereitet. Mehrere Schützenkompanien, unter anderem aus Sterzing und Steinach am Brenner, marschieren auf, um die Verteidigungslinie in Scharnitz zu verstärken. Noch in der Nacht zum 4. November erreichen Einheiten des Landsturmes aus allen Teilen Tirols die Porta Claudia, sodass sich in den frühen Morgenstunden 1.400 Männer mit zwölf Kanonen dort versammeln. Die Leutascher Schanze ist mit 600 Soldaten und drei Kanonen besetzt.

Tags zuvor hat Marschall Ney von den Tirolern die sofortige Kapitulation und die Übergabe der Festung gefordert. Er wiederholt seine Aufforderung noch zwei weitere Male.

Doch die Tiroler reagieren darauf mit einem Angriff und schaffen es zunächst, die Franzosen nach Mittenwald zurückzudrängen. Der Ausfall dient der Ablenkung. Denn unter dem Sturmgeläute und Donnern der Kanonen räumen die Scharnitzer ihr Dorf. Sie packen ihre Sachen und ziehen sich in die Karwendeltäler zurück, um dort vor Kämpfen und Übergriffen sicher zu sein.

Marschall Ney

Marschall Michel Ney, der die französischen Truppen 1805 gegen Tirol anführt, ist einer der höchsten Militärs seiner Zeit. Geboren 1769 in Saarlouis besucht der junge Michel das Gymnasium, ehe er sich der Rechtspflege zuwendet und als Notarlehrling, später als Schreiber bei der Staatsanwaltschaft tätig ist. 1788 tritt Ney in die Armee ein und bringt es in der Zeit der Französischen Revolution bis zum Unteroffizier. Es folgen weitere Beförderungen zum Capitaine, Brigadegeneral und schließlich zum Divisionsgeneral. Seinen höchsten Rang erreicht er unter Napoleon: Ney wird 1805 zum Reichsmarschall – im Französischen Maréchal dʼEmpire – befördert.

Verdient hat sich Ney diese Beförderung durch sein diplomatisches Geschick. Nach dem Friedensschluss von 1801 hat er die Position des französischen Gesandten in der Schweiz inne. Hier trägt er maßgeblich dazu bei, dass sich die ursprünglich zentralistische Helvetische Republik zur dezentralisierten Schweizerischen Eidgenossenschaft wandelt. Ihre föderalistische Struktur gilt in Europa noch heute als Vorbild.

Nach seiner Beförderung zum Marschall leitet Ney mehrere erfolgreiche Offensiven gegen Österreich, darunter die von 1805, durch die er in Tirol Bekanntheit erlangt. Seine späteren Einsätze führen ihn gegen Preußen und weiter in den Osten. Der Russlandfeldzug 1812 gerät für Frankreich allerdings zum Desaster. Von den Russen verfolgt, quält sich die Grande Armée zurück nach Mitteleuropa. Ney hat die Aufgabe, mit der Nachhut den Rückzug abzusichern und der Armee damit Zeit zu verschaffen. In einem der Gefechte entgeht er nur knapp der Gefangenschaft.

Ney, der noch vor dem Russlandfeldzug zum Herzog von Elchingen ernannt worden ist, wird 1814 Kommandant der Kaiserlichen Garde. Als solcher führt er die letzte Verteidigungslinie Napoleons in Paris an, als die Koalitionstruppen vor den Toren der französischen Hauptstadt stehen. Das Gefecht um Paris geht verloren, die Gegner marschieren ein.

Da Ney ein Vertrauter Napoleons und nicht ohne Einfluss auf ihn ist, versuchen ihn die Koalitionsmächte auf ihre Seite zu ziehen. Die Aussichtslosigkeit des Kampfes vor Augen stellt der General sich schließlich auf die Seite der Bourbonen, die von den Habsburgern unterstützt worden sind. Ney bemüht sich, Napoleon zur Abdankung zu überreden. Dieser fügt sich schließlich und wird auf die Insel Elba verbannt. Der neue König Ludwig XVIII. revanchiert sich bei Ney, indem er ihn zum Pair von Frankreich ernennt und ihm den Oberbefehl über die sechste Militärdivision überträgt.

Als Napoleon 1815 von Elba zurückkehrt, schließt Ney sich ihm aber neuerlich an. An seiner Seite kämpft er dann auch als Oberbefehlshaber einer Einheit in der Schlacht bei Waterloo – in jener Schlacht, die Napoleons Schicksal besiegelt: Seine „Herrschaft der Hundert Tage“ ist beendet, er selbst wird nach St. Helena verbannt.

Neys Loyalitätsbruch gegenüber Ludwig XVIII. hat allerdings schlimmere Konsequenzen. Polizeiminister Fouché lässt zahlreiche Überläufer verhaften, der prominenteste Offizier unter ihnen ist Michel Ney. Er wird wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und am 7. Dezember 1815 hingerichtet.

Oberstleutnant Swinburne

Neys Gegenspieler auf österreichischer Seite in der Schlacht um die Porta Claudia 1805 ist Oberstleutnant Robert Thomas Freiherr von Swinburne. Geboren 1763 in der englischen Grafschaft York, beginnt er seine militärische Karriere in den Koalitionskriegen im Dienste der kaiserlich-königlichen Armee. Rasch steigt Swinburne auf: 1782 noch Fähnrich, ist er 1784 Unterleutnant, 1788 Oberleutnant, 1793 Hauptmann, 1800 Major, 1804 schließlich Oberstleutnant und 1806 Oberst. 1809 erhält er nach der Schlacht von Aspern die Ernennung zum Generalmajor. 1838 tritt er in den Ruhestand und lebt als Freiherr bis zu seinem Tode elf Jahre später.

Tapferkeit, Mut und Kriegsgeschick sind die wesentlichen Gründe für Swinburnes raschen Aufstieg in der Armee: Gegnern leistet er beharrlich Widerstand, bedient als Mitglied der Infanterie sogar Kanonen, wenn es nötig wird. Mehrfach trägt der Freiherr aus den Kämpfen Verwundungen davon. Für seinen Einsatz erhält er zahlreiche Auszeichnungen. Diese außergewöhnliche Reputation bringt Swinburne schließlich das Kommando über die Truppen in Scharnitz ein. Die Franzosen haben mit Marschall Ney einen Mann auf ihrer Seite, dessen Ruf militärischer Genialität ihm vorauseilt. So bieten die Österreicher mit Swinburne ebenfalls eine lebende Legende auf, einen Mann, dem sie zutrauen, Ney zu besiegen.

Am 13. Oktober 1805, einen Tag vor der Schlacht von Elchingen, in der die Franzosen unter Marschall Ney die kaiserlichen Truppen in die Flucht schlagen werden, erhält Swinburne das Kommando über die Festung in Scharnitz. Sein Bataillon besteht aus einem Detachement der Erzherzog-Karl-Infanterie und weiteren Kontingenten aus den Tiroler Landmilizen. Mit ihnen soll er den Pass in Scharnitz halten. Was zunächst eine reguläre Grenzverteidigung sein soll, wird allerdings zu einem Desaster werden. Meint die österreichische Führung, mit Swinburne ebenso abschreckend zu wirken wie Marschall Ney umgekehrt, so unterläuft sie diese Strategie mit dem Abzug ihrer Truppen aus Tirol. Die französisch-bayerischen Militärstrategen sollten glauben, dass ein Einmarsch in Tirol nur mit hohem Blutzoll möglich, also zu riskant sei. Der Abzug der österreichischen Armee motiviert die gegnerische Seite nun jedoch, einen Angriff zu wagen.

Swinburne muss der österreichischen Führung melden, dass Marschall Ney mit seinem Heer auf dem Weg nach Scharnitz ist. Am 2. November erhält er neue Befehle: Zweck der Verteidigung ist nicht mehr, die Angreifer am Einmarsch zu hindern, sondern die Festung genau drei Tage zu halten, um den Rückzug der Österreicher durch das Inntal abzusichern. Danach soll die Porta Claudia den Franzosen kampflos übergeben werden.

Diese ahnen jedoch nichts von den österreichischen Befehlen. Und so kommt es zur blutigsten Schlacht an der Porta Claudia, ein Sterben, das in mehrfacher Hinsicht sinnlos ist.

Die Porta Claudia fällt, die Franzosen marschieren in Tirol ein, Swinburne wird gefangen genommen. Marschall Ney würdigt allerdings seine militärischen Leistungen. Er lässt Swinburnes Waffen aufbewahren und sie ihm nach seiner Kriegsgefangenschaft mit der Bataillonsfahne zurückgeben. Die Franzosen sehen ihn als militärischen Helden, wenn auch auf gegnerischer Seite, und bedenken ihn dafür mit Respekt.

Der bauliche Überblick

Wir haben nun die Grenze von Bayern nach Tirol überquert und befinden uns jetzt unmittelbar am Fuße der ehemaligen Wehranlage Porta Claudia.

Das Ausmaß der Porta Claudia zum Zeitpunkt ihrer größten Ausdehnung ist in dem nachstehenden Blick von oben abgebildet. Die Karte stammt aus der Gegenwart, doch können immer noch von oben die Bereiche erkannt werden, wo die Porta Claudia einst stand. In verschiedenen Farben werden ihre damaligen Ausmaße und Konturen über die aktuelle Karte gelegt, um einen Überblick zu geben, welch gewaltiges Bauwerk die Porta Claudia war.

Man kann die Errichtung der Porta Claudia in mehrere Bauphasen unterteilen: die Bauphase 1, hier in Violett dargestellt, entspricht den Befestigungen, wie sie von Claudia de'Medici angeordnet wurden. Dies ist eine Befestigung, die im Süden des Ortes an der Isar errichtet wurde. Dazu kommen ein Palisadenzaun und eine weiter nördlich errichtete Zaunbefestigung, die in einer Darstellung aus dem 17. Jahrhundert abgebildet ist und spätestens 1652 errichtet worden dürfte. Über Scharnitz, dort wo sich heute die XII. Station des Kalvarienbergs befindet, ist bereits ein Blockhaus ausgewiesen, das zum Fort Sankt Nikolo gehört.

Bauphase 2, hier in Hellgrün dargestellt, betrifft die baulichen Veränderungen, die Anfang des 18. Jahrhunderts durchgeführt wurden. Eine neue Talsperre mit Tor und Kapelle wurde im Norden errichtet, der grün umrahmte Gasthof zur Blauen Traube damals als Pulverlager und -depot verwendet. Das Fort Sankt Nikolo erhält einen Holzzaun.

Bauphase 3 fällt in den Zeitraum der 1760er und 1770er. Sie ist in Gelb dargestellt. Es sind dies die Maßnahmen, die unter Kaiserin Maria Theresia befohlen wurden. Die Festung wird im Norden ausgebaut, ein neuer Geschützstand wird hinzugefügt, die vier westlichen Bergbastionen werden bis ganz an die oberste Felswand des Berges hinauf gezogen und Erweiterungsbauten im Kasernenbereich der Wehranlage kommen hinzu.

Schließlich in Blau: die Bauphase 4. Es sind Maßnahmen, die zwischen 1796 und 1800 zur Verstärkung der Befestigung durchgeführt wurden, wie die Errichtung des Vorwerks oder eine zusätzliche Palisade vor einem entlang der Nordmauer von West nach Ost gezogenen Wassergraben.

Die Festungsforscher unterteilen die Porta Claudia aber auch räumlich in drei Bauteile: den östlichen Bereich der Bergbastion, der sich zum steil abfallenden Fels hin bewegt und heute von allen Bereichen am wohl schlechtesten erhalten ist. In der Mitte der Porta Claudia liegt die "Tor-Bastion", zu der die Gebäude links und rechts des Straßenverlaufs ebenso zählen wie das Haupttor mit seiner Kapelle oder die Kaserne an der Isar. Schließlich ist der westliche Teil als "Isar-Bastion" bezeichnet, er beinhaltet die baulichen Befestigungsanlagen auf der westlichen Seite der Isar, sowohl das Vorwerk als auch die vier Bergbastionen, die sich entlang der Mauer befinden.

Bilder aus dem Kartenmaterial der damaligen Zeit, kombiniert mit heutigen Luftbildern, lassen eine Verortung der Bauteile der Porta Claudia gut sichtbar werden.

Berg und Wasser als Verbündete

Wir begeben uns nun in die Isarbastion hinauf. Bereits hier ist gut erkennbar, wie sehr die natürlichen Gegebenheiten für die Erbauer eine Rolle spielten und welche Vorteile man für sich nutzbar machte.

Links unterhalb dieses Bauabschnitts verläuft die Isar. Der Fluss begrenzte einerseits den Hauptteil der Festungsanlage, andererseits wird die Isar auch später dazu verwendet um Wassergräben zu fällen und zu fluten, das Wasser wurde zur Torbastion und weiter nach Osten geleitet.

Rechts sehen wir in jüngerer Zeit instand gesetzte Bauteile wie ein Tor. Die Mauern wurden entlang des Berges gezogen, aber auch verschiedene Stollen in den Berg hinein getrieben. Genutzt wurden sie als Lager und Aufbewahrungsbereiche. Feinde mussten sich, sofern nicht in der Mitte des Tales angreifend, hinauf begeben, um gegen die Mauern der Festung anzustürmen. An dieser Stelle, wo wir uns jetzt befinden, ist der unterste der Befestigungsbereiche – mit einem Zugang für die Infanterie, die ihn nutzte um die höher gelegenen Bauteile der Anlage zu erreichen. Auf dem Weg nach oben, den wir gleich weiter gehen werden, treffen wir einen zweiten Bauteil der Festung, von der man aus zu den Vorwerken gelangte.

Die natürlichen Gegebenheiten aus Gebirge und dem Verlauf der Isar waren auch die Hauptgründe, weshalb es die jeweiligen Landesherrinnen vorzogen die Befestigungen nördlich der Isar zu errichten, auch wenn damit Fremdgrundbenutzung oder Gebietstauschverträge notwendig waren.

Die östlichen Anlagen

Wir befinden uns nun an einem Platz, von dem man aus das gesamte Ausmaß der Porta Claudia im Tal überblicken kann. Dort, wo die alten Zollgebäude stehen, war das Tor, dahinter zog sich der Wall entlang bis zum Berg hinauf. Dort gab es eine Bergbastion, die sich bis hinauf an die Felsenkante zog.

Auf den Bildern sehen wir hier eine alte Karte, wie die Festungsanlage im Osten ausgesehen hat, daneben ein aktuelles Luftbild. Noch gut sichtbar sind hier im Wald und am Verlauf der Grundgrenzen der Felder wo sich der Festungswall befunden hat. Auch die Umrisse des Geschützstandes "Kavalier" sind noch gut feststellbar, hier eingerahmt in Hellgrün. Als Vergleich zeigen wir auch ein Modell der Porta Claudia.

Die wesentlichen Gebäude beim "Kavalier" waren ein Bürgerhaus, in dem die Offiziersquartiere untergebracht waren, hier als Nr. 2 bezeichnet. Das heutige alte Zollgebäude im Osten war zur damaligen Zeit die Kommandantenwohnung (Nr. 3) der Festungsanlage und wie man an Mauerwerken an der Seite des Gebäudes gut erstehen kann verbunden mit der Hauptfestungsmauer. Neben diesem Gebäude befindet sich die "Alte Burg", das damalige Zeughaus, auf das wir später noch gesondert eingehen werden.

Ein wichtiger Bereich der östlichen Anlagen ist auch ein Gebäude, das als Artellerie-Laboratorium verwendet wurde. Hier wurden Munition und Schwarzpulver erzeugt. Interessanterweise wird in der Literatur häufig das Mauerwerk ganz im Osten als "Teufelsküche" bezeichnet, noch häufiger ein Bereich im Westen der Porta Claudia nahe beim Vorwerk. In der Überlieferung scheint die "Teufelskuch'l", wie sie im Volksmund bezeichnet wird, einen Bezug zu heftigen Gefechten zu haben und auf Bereiche, in denen es den Angreifern besonders übel ergangen sei. Aufgrund der ungenauen Verortung drängt sich heute aber eher die Vermutung auf, dass mit der "Teufelsküche" wohl der Standort des Artillerielaboratoriums gemeint ist. Dort, wo Pulver und Schrot hergestellt wird, wo Chemie vermischt und zu gefährlicher Munition verwandelt wird, ist der Begriff der "Teufelsküche" wohl angebracht. Vermutlich dürfte die Überlieferung die ursprüngliche Bezeichnung verzerrt haben.

Von dem Punkt aus, wo wir uns gerade befinden, sieht man gut auf den Standort der östlichen Anlagen hinunter. Wie sehr Geschichte nachwirkt ist hier auch durch eine Feuerstelle sichtbar, die von den Scharnitzer Schützen heute verwendetet wird, um hier die traditionellen jährlichen Bergfeuer anzuzünden.

Die Stallungen

Wir erreichen nun einen Bereich, der von den Einheimischen seit jeher als „bei den Stallungen“ bezeichnet wurde. Es ist dies der dritte Bauteil der Wehranlage und die vorletzte Bastion vor dem obersten Felsvorsprung. Wie auch die letzte und oberste Bastion verfügt diese über einen Kasemattenkomplex, in die Erde bzw. den Fels getriebene Verteidigungsräume. Darüber sind Wehrgänge zu sehen.

Insgesamt waren es einmal drei Räume, die so gut geschützt waren, dass sie auch heftigen Beschuss aushalten sollten. Dass einer der Räume heute noch so gut erhalten ist, obwohl die Porta Claudia 1805 gesprengt wurde, dient als eindrucksvoller Beweis.

Errichtet wurden diese Anlagen ebenso wie die weiter oben liegenden Kasematten in den 17760er- bzw. 1770er-Jahren, im Zuge des Ausbaus der Festung. Heute geht man davon aus, dass in den Gewölben Munition, aber auch Nahrung und verschiedene Gegenstände gelagert wurden. Sie dienten als Magazin. In der Mitte dieses Platzes, heute nicht mehr sichtbar, gab es ein Wachhaus. Der Begriff der „Stallungen“ lässt vermuten, dass Waren, Vorräte, Waffen und Munition mit Tieren die Wege hinauf gebracht wurden und diese nicht sofort wieder in den Ort zurückkehrten, sondern auch in diesem Bereich versorgt wurden und blieben. So lange, bis ihr nächster Einsatz kam und Nachschub von Versorgungsgütern wie Lebensmittel und Wasser besorgt werden musste. Der Überlieferung nach, wurden die Tiere in einem Anbau der Wachstube untergebracht. Vermutlich war der Anbau aus Holz. Nähern wir uns dem Gewölbebau, sehen wir auch auf einen weiteren Zugang zu den Vorwerken, diesmal von oben. Zwischen dieser dritten Bastion und dem Vorwerk befand sich ein gewinkelter Verbindungsgang, der heute noch erhalten ist. Wenn man diesen Bauteil betrachtet, fallen auch immer wieder die Schießscharten auf, die sich im Mauerwerk befinden.

Das Vorwerk

Wir sind nun gerade aus von den Kasematten der dritten Bastion zu einem Bereich der Mauer gegangen, von dem man einen überwältigen Blick nach Bayern hat. Als Vorbereitung für die Feierlichkeiten zum Tiroler Landesgedenkjahr 2009 wurde dieser Bereich größtenteils von Bäumen befreit und zeigt sich heute ungefähr so, wie er nach der Sprengung und Zerstörung der Porta Claudia ausgesehen hat.

Es ist ein Teil des Vorwerks, in dem wir stehen. Das Vorwerk, wie auf der Karte ersichtlich, geht noch weit hinunter und schließt dort an eine untere Talsperre an, die als „Maulögg“ oder „Mauleck-Redoute“ bezeichnet wird. Da sie weiter unten liegt, diente die Mauleck-Redoute dazu um den Hügel und das darunter liegende Gelände abzusichern. Hier, wo wir uns befinden, ist der obere Teil dieses Vorwerks, der als „Flesche“ bezeichnet wird.

„Fleche“ ist ein Begriff aus dem Französischen, der so viel wie „Pfeil“ bedeutet und die in der Abbildung hier dargestellten zackenförmigen Winkel der Mauer beschreibt. Üblicherweise baute man solche Flechen, um die darüberliegenden Bastionteile mit einer zusätzlichen Feueretage auszustatten.

Die Fleche hier diente im Gegensatz zur Mauleck-Redoute dazu, die linke Flanke der Mauer abzudecken. Erkennbar ist auch, dass hier einst Wälle aufgeschüttet und mit Palisaden abgesichert wurden.

1805 ließ der französische Marschall Ney die bayrisch-französischen Truppen zunächst genau hier einen Sturmangriff gegen das Vorwerk führen. Erst als dies misslang, versuchte er den weiter oben liegenden Teil der Festung anzugreifen. Die Offensiven scheiterte jedoch kläglich: über 1.800 Gefallenen waren bei diesen Angriffen zu betrauern.

Die Bergbastion

Wir sind nun einige Zeit die Festungsmauer entlang nach oben gegangen. Nun befinden wir uns an der obersten Bastion, der vierten Verteidigungsanlage des Befestigungssystems. Auch hier gibt es wieder eine Wachstube, die zumindest von den Grundmauern heute noch gut erkennbar ist.

Die Mauern sind hier besonders hoch. In ihrem oberen Bereich sind Holzbalken zu erkennen, die einst die Wehrgänge getragen hatten. Auf der unten stehenden Abbildung kann man gut erkennen, welche Typen an Wehrgängen es auf der Mauer gegeben hat. Einige waren durch das abfallende Gelände für die Verteidiger ebenerdig, während es nach der Mauer steil nach unten ging. Andere Wehrgänge waren links und rechts von Mauern umgeben und die Mauer, die wir hier mit den Holzresten am oberen Bereich sehen können, gehörte zu jenen, wo sich sowohl unterhalb bei den Schießscharten Kämpfer auffalten konnten als auch auf den Holzplateaus, die sich als Laufstege entlang der Mauer zogen. Diese Laufstege werden Wehrgänge genannt.

Von hier aus zieht sich die Mauer der Porta Claudia bis ganz hinauf zum Felsvorsprung. Dabei verjüngt sie sich, wird niedriger, je steiler das Gelände wird. In diesem Bereich waren keine Kanonen oder ähnliches eingesetzt – hier stationiert waren reine Infanteriekämpfer.

Abgesehen von der noch nach oben führenden Mauer sind wir nun am obersten Punkt der Befestigungsanlage. Hier endet der Weg und führt nunmehr nach Süden, den Berg entlang in Richtung Ort, bzw. dorthin, wo sich heute ein Kalvarienberg befindet. Dieser Weg führt nun nicht mehr nach oben, sondern führt nach unten. Es ist der Verbindungsweg zwischen der alten Befestigung, die Fort Sankt Nikolo heißt, und den Bergbastionen der Porta Claudia.

Verbunden und nicht Verbunden

Zwischen den jüngeren Bauteilen der Porta Claudia und den ältesten Bauteilen, besonders dem Fort Sankt Nikolo, besteht ein Verbindungsweg, den wir nun abgehen. Immer wieder sehen wir Mauerreste und Befestigungsüberbleibsel. Das Fort Sankt Nikolo ist auch der am weitesten innerörtlich gelegene Punkt der Porta Claudia, zumindest in der Zeit ihrer größten Ausdehnung im 19. Jahrhundert.

So nahe die Festung war, so fern waren sich aber auch die Menschen. Zwischen Dorfbewohnern und Militärs gab es öfters Animositäten. Dies dokumentiert sich insbesondere in der Frage des Gottesdienstbesuchs. Scharnitz war keine eigene Pfarrgemeinde. Um die Seelsorge kümmerten sich zunächst Priester aus Mittenwald. Doch die politischen Verwerfungen zwischen Tirol und Bayern wirkten sich auch hier aus. Dort, wo sich heute die Pfarrkirche befindet, gab es seit den 1630ern eine kleine Kapelle, die aus Dankbarkeit über die abgewendete Kriegsgefahr erbaut wurde. Eine eigene Ortsseelsorge kümmerte sich um die Bürger und hielt in der Kapelle die Gottesdienste ab.

Als Anfang des 18. Jahrhunderts die nördlichen Anlagen mit dem großen neuen Haupttor der Porta Claudia errichtet wurden, wurde die Ortsseelsorge aufgelassen und die Scharnitzer mussten den Militärgottesdienst besuchen. Für die Dorfbewohner war dies keine gute Entscheidung. Über die Jahre häuften sich Beschwerden über das Verhalten, das den Zivilisten gegenüber entgegen gebracht wurde. Ein besonderes Ärgernis war dabei das Verhalten gegenüber jungen Mädchen und Frauen, die sich vor und nach dem Gottesdienstbesuch von den Männern der Verteidigungsanlage belästigt fühlten.

1786 wird Scharnitz nach zahlreichen Interventionen schließlich wieder eine eigene Kaplanei und bekommt auch zum ersten Mal einen eigenen Pfarrer. Zehn Jahre später wird die Pfarrkirche errichtet. Die Kapelle, die sich dort befunden hatte, war zu klein geworden.

Das Fort Sankt Nikolo

Wir gelangen nun in einen Bereich, wo sich heute die letzten drei Stationen des Kalvarienbergs befinden. Rund um uns herum befinden sich Mauerüberreste, die Zeugnisse des ehemaligen Forts Sankt Nikolo sind. Zu unserer Linken befindet sich die Grabeskapelle des Kalvarienbergs, die XIV. Station. Die heute liebevoll gepflegte Kapelle wurde erst nach 1900 errichtet und zwar an genau jener Stelle, wo sich einst ein Zugangstor zum Fort befand.

Die damalige Scharnizer Ortschronistin, Sieglinde Heiss, hat sich mit den Mauerwerken, den Umrissen und der Lage des Forts auseinandergesetzt und anhand der Überreste eine Karte erstellt. Auf diesem gezeichneten Plan ist erkennbar, dass man von zwei Seiten in das Fort gelangen konnte – durch den Torbogen bei der heutigen Grabeskapelle und auf der anderen Seite, wo der Weg des Kalvarienbergs nach oben führt.

In der Mitte des einstigen Forts steht heute die XII. Station des Kreuzwegs – ein großes Holzkreuz, das nach der Zerstörung der Porta Claudia 1805 bzw. 1809 an dieser Stelle aufgestellt und 1898 ersetzt wurde. Überhaupt wurde mit dem Bau des Kreuzwegs unmittelbar nach der Zerstörung der Wehranlage begonnen. Auf dem schmalen Steig, den wir hinunter gehen werden, wurden gleich 1805 die fünf gemauerten Kreuzwegstationen errichtet.

Das Fort Sankt Nikolo war ursprünglich neben dem Fort Claudia, das an der Isar lag, der obere Teil der zweiteiligen Befestigungsanlage. Man hatte einen guten Blick auf die einstige Grenze. Im 17. Jahrhundert bestand dieses Fort aus einem Holzgebäude und entsprechenden Palisaden rundherum. Das Mauerwerk wurde ein Jahrhundert später beim Ausbau der Festung errichtet und verstärkte das Fort entsprechend.

Bevor wir den Kalvarienberg entlang hinunter ins Dorf gehen, genießen wir noch den Ausblick und blicken auf die Isar-Brücke. Dort lag die alte Grenze vor 1766 – und links von der Isar, wo heute der Aufgang zum Ortsteil Inrain beginnt, wurde die allererste Befestigungsanlage der späteren Porta Claudia errichtet. Das Gelände, das sich links der Isar befindet, weist aufgrund seiner Höhenentwicklung und seinem weiteren Verlauf nach Norden darauf hin, wo sich früher die erste Befestigungsanlage befand. Wir haben versucht auf einer Landkarte des heutigen Scharnitz den vermutlichen Verlauf der ersten Verteidigungsanlage einzuzeichnen. Grundlage für diese Zeichnung sind die Geländeformation und eine Zeichnungsskizze, die von den Gebrüdern Gumpp angefertigt wurde.

Einkehr an der Isar

Wir sind nun vom Kreuzweg aus auf der Porta-Claudia-Straße entlang bis zur Kirche gegangen. Dass die Straße Porta-Claudia-Straße heißt, hat damit zu tun, dass an ihrem Ende ein Weg zur Porta Claudia hinaufführt. Nunmehr stehen wir an der Isarbrücke, direkt an der frühen Grenze, wo schon im 16. Jahrhundert Zölle eingehoben und Durchreisende kontrolliert wurden.

Dabei ist nicht die Kirche das älteste Gebäude um uns herum, sondern das Gasthaus Goldener Adler. Schon im 15. Jahrhundert befand sich hier ein Hof, der urkundlich erwähnt im Jahre 1473 dem Pfleger der Burg Schlossberg als Erblehen verliehen wurde. 1675 wurde aus dem Hof eine Wirtstaverne. Man kann sich gut vorstellen, dass sie für die Straße und Grenze passierende Händler und Reisende eine willkommene Rastmöglichkeit war, gab es doch an der Grenze über die Isarbrücke schon seit 1611 ein Wachhäuschen mit Absperrung und auch Zölle wurden eingehoben, sehr zum Ärgernis der Werdenfelser Fuhrleute.

Mit dem Bau der ersten Befestigungsanlage unter Claudia de Medici 1633 hielten sich an diesem Ort weitaus mehr Menschen auf als zuvor. Aus wirtschaftlicher Sicht der ideale Standort für ein Wirtshaus.

Blickt man auf die andere Seite der Isar, dann sehen wir hier genauso wie zuvor am Kalvarienberg die Geländeformation mit ihren Steigungen. Versetzt man sich in das 17. Jahrhundert zurück, kann man sich aufgrund der Anordnung der heutigen Gebäude auf der anderen Seite der Isar gut vorstellen, dass hier Palisaden, Zäune und Grenzbefestigungen errichtet waren.

Blicken wir zurück auf den Berg im Westen, wo wir vorher waren, erkennen wir sehr gut, welche gute Lage das Fort Sankt Nokolo dort hatte und wie es von dort aus möglich war alles im Tal im Blick zu haben.

Die Blaue Traube und das Ballenhaus

Wir durchqueren immer noch das Dorf. Doch wir nähern uns immer mehr der Porta Claudia. Das Gebäude, zu dem wir nun gekommen sind, ist auf einem alten Modell, das im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum steht, bereits deutlich ersichtlich. Es handelt sich um den ehemaligen Gasthof Blaue Traube. Die Blaue Traube war ein Wirtshaus. Wie schon der südlich gelegene Gasthof zum Goldenen Adler war auch die Traube ein gut besuchter Gastbetrieb, der von Durchreisenden und Händlern gerne genutzt wurde, um Pferde zu tränken, zu rasten und auch zu übernachten. Waren und Güter, die die Durchziehenden mitbrachten, wurden gegenüber der Blauen Traube aufbewahrt in einem Ballenhaus. Dieses Ballenhaus ist heute nicht mehr existent, nur mehr der Teil einer Seitenmauer erinnert uns noch daran. Auf alten Fotografien ist das Ballenhaus jedoch noch erkennbar, genauso wie sein Standort auf dem vorher erwähnten Modell.

Nach der Errichtung der nördlichen Teile der Wehrfestung wurde die Blaue Traube immer bedeutender. Nicht nur, dass sich die Verteidigungskräfte bei der Wehranlage gerne in einem nahe bei ihnen liegenden Gasthaus aufhielten – es hatte auch eine strategische Bedeutung.

1703, als sich die Festungsanlage im Kampf gegen die bayerischen Truppen bewähren musste, wurde den Berichten zufolge im Eiskeller der Blauen Traube das Waffenpulver gelagert. Weiter wird berichtet, dass nach dem Einrücken der Bayern dieses Munitionsdepot gesprengt wurde. Eine Darstellung, der heute in Zweifel zu ziehen ist, hätte doch so eine Sprengung das Gebäude selbst auch beschädigt. Wahrscheinlicher dagegen ist, dass vom Eiskeller der Blauen Traube aus ein unterirdischer Gang zu diesem Schwarzpulverlager geführt hat. Ein alter Bogen im Eiskeller des Gasthofes legt nahe, dass es einen Gang gab, der später verschüttet wurde. Betrachtet man die Ausrichtung des Ganges, so würde er geradewegs zu einem weiteren Gebäude führen, das einst zur Wehranlage der Porta Claudia gehörte: dem Zeughaus.

Es darf daher angenommen werden, dass das Pulverlager in einem Kellerverlies zwischen Blauer Traube und dem Zeughaus, wo ja Waffen gelagert wurden, eingerichtet war. Dieses Lager wurde gesprengt – und damit auch der Verbindungsgang verschüttet. In späteren Berichten wird nicht mehr erwähnt, dass die Blaue Traube für die Zwecke der Wehranlage verwendet wurde.

Die alte Burg

Bereits die Blaue Traube befindet sich im Scharnitzer Ortsteil Schanz, durch den wir uns gerade bewegen und dessen Name auch auf die Befestigung der Wehranlage zurückgeht.

Vor uns befindet sich nun ein Gebäude, das als die „Alte Burg“ bezeichnet wird. Dieses Gebäude gehörte zum Komplex der Torbastion der Porta Claudia und wurde als Zeughaus genutzt. Hier befand sich auch die Kommandozentrale der Festung. Wie bereits erwähnt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es durch einen unterirdischen Gang einst mit der Blauen Traube verbunden war.

Als Zeughaus bezeichnet man ein Waffenarsenal. Hier wurden jene Waffen aufbewahrt, die man im Kriegsfall an die Schützen und Soldaten ausgab um die Festung zu verteidigen. Vom Artillerielaboratorium, einem Gebäude im Osten der Anlage, wurde Schwarzpulver und Munition angeliefert und, wenn Nachschub gebraucht wurde, von hier aus die Isarbastion hinauf zu den vier Bergbastionen gebracht.

Noch heute sind Waffen aus der Zeit der Napoleonischen Kriege erhalten. Dorfbewohner haben Exponate aus diesen Zeiten über Generationen aufbewahrt. Kanonenkugeln, Gewehre oder Bajonette warten auf den Tag, an dem sie in einem Museum ausgestellt werden können. Auf einem Bild sehen wir hier Beispiele dafür, die im Zuge einer historischen Sonderausstellung im Gedenkjahr 2009 der Öffentlichkeit gezeigt wurden.

Das Gebäude der „Alten Burg“ ist sehr gut erhalten und vor nicht allzu langer Zeit renoviert worden. Ab 1946 war bis in die 1960er-Jahre dort eine Brillenfabrik untergebracht, der nördliche Teil noch bis in die 1980er-Jahre bewohnt.

Die Straße, die am alten Zeughaus vorbei führt, war früher freilich schmäler. Sie wurde im 20. Jahrhundert verbreitert, alte Gebäude – wie das vorher beschriebene Ballenhaus, fielen dem Ausbau zum Opfer. Der Neubau des Zollgebäudes auf der westlichen Seite forderte weiteren Tribut und führte zur Zerstörung von weiteren baulichen Relikten. Der Platz zwischen den beiden ehemaligen Zollgebäuden links und rechts und dem Zeughaus stellt sich deshalb heute wesentlich größer dar, als er zur Zeit der Hochblüte der Porta Claudia war.

Das Haupttor

Wir blicken nun direkt auf die beiden ehemaligen Zollgebäude. Zwischen den beiden befand sich die nördliche Talsperre der Porta Claudia, die im Zeitraum 1705 bis 1711 erbaut wurde. Während der Regierungszeit von Kaiserin Maria Theresia wurde sie nach 1766 entsprechend erweitert und ausgebaut. Zu diesen Erweiterungen gehört auch ein Wassergraben mit entsprechender Befestigung, der das Wasser von der Isar ableitete und den Graben bis zum östlichen Felsanschluss flutete.

Blickt man heute auf die Straße, muss man sich vorstellen, dass dort einst das große Haupttor der Porta Claudia bestand. Dieser Bauteil der Wehranlage wird auch Tor-Bastion bezeichnet. Über dem Zugangstor befand sich eine 1705 eingerichtete Kapelle und die Wohnung des zur Kapelle gehörenden Kaplans. Geweiht war die Kapelle dem Heiligen Josef, wie schon berichtet, fanden im 18. Jahrhundert auch die Gottesdienste für die Scharnitzer Dorfbevölkerung beim Militärkaplan statt.

Betrachtet man das östliche ehemalige Zollgebäude, so entdeckt man ganz an seinem Nordende einen alten Teil der ehemaligen Festungsmauer. Hier verlief die Mauer samt vorgelagertem Graben nach Osten. An dieser Wand angeschlossen war der Torbereich der Festung, der freilich heute nicht mehr existiert.

In Oberammergau befindet sich heute im Museum ein Modell der Torbastion. Der Schlachtenmaler Georg Lang war es, der aus zahlreichen Zeichnungen und Skizzen daheim dieses Modell schuf. Mit hunderten beweglichen Figuren stellte er die Belagerung der Festung 1805 dar. Dieses Modell, das er Max II. von Bayern zum Geschenk machte und heute im Museum in Oberammergau besichtigt werden kann, zeigt uns sehr gut, wie das Tor gesichert war. Vor dem Graben befanden sich Palisadenbefestigungen aus Holz, über dem Tor ist gut die Kapelle erkennbar. Eine Brücke führte über den Graben. Auf der Mauer gab es Verteidigungsposten.

Lang fertigte insgesamt zwei dieser Reliefmodelle an. Das eine, das an Max II. ging, wurde in späteren Tagen auf Jahrmärkten und Ausstellungen in Bayern gezeigt. Das zweite Exemplar dieses Modells wurde als Geschenk an Napoleon Bonaparte geschickt.

Das Festungstor wurde zusammen mit der Wehranlage 1805 geschliffen. Und doch finden sich auch heute noch von Zeit zu Zeit Überreste. Als die Umfahrungsstraße in Scharnitz gebaut wurden, mussten Unterkonstruktionen des Festungsbaus noch archäologisch gesichert werden. 2019 werden bei einem Bauprojekt rechts hinter den Zollgebäuden weitere Mauerreste gefunden. Auch hier führte das Denkmalamt eine Begutachtung durch und erfasste die historische Struktur.

Das Denkmal für die Gefallenen

Zum Andenken an jene 1.800 Gefallenen, die 1805 an der Porta Claudia ihr Leben gelassen haben, wird 1890 am Grenzübergang, dort wo einst die Porta Claudia gestanden ist, ein Denkmal errichtet werden. Es sind die Gemeinden Scharnitz und Seefeld, der Seefelder Pfarrer Valentin Dorfner und der Innsbrucker Kronprinz-Rudolf-Veteranenverein, die dies in die Wege leiten.

In ganz Tirol werden dafür Spenden gesammelt, rasch ist die Summe von 550 Gulden beisammen. Selbst Kaiser Franz Josef unterstützt das Vorhaben mit 80 Gulden. Als nächsten Schritt gründen engagierte Persönlichkeiten einen Denkmalausschuss, darunter der Historiker Josef Hirn und der Germanist Josef Wackernell. Die Mitglieder kümmern sich um Platzierung und Finanzierung des Denkmals sowie um die Vergabe der einzelnen Aufträge.

Der künstlerische Entwurf dafür stammt von Michael Stolz, einem Realschulprofessor aus Innsbruck. Auf ihn gehen die Form des Obelisken und die dazugehörigen Gestaltungselemente zurück. Der in der Höttinger Au lebende Steinmetzmeister Ignaz Frantz schlägt den Obelisken aus Sterzinger Marmor. Das Kreuz an der Spitze ist die Arbeit des Innsbrucker Schlossermeisters Valentin Simoni. Die Christusfigur gießt der Jenbacher Hüttenamtsverwalter Andreas Speckbacher, Sohn des berühmten Freiheitskämpfers Josef Speckbacher. Dieser hat 1809 an der Seite Andreas Hofers gekämpft. 1805 war er als einfacher Schütze bei den Schlachten in Scharnitz dabei. Seine Enkelin Luise Speckbacher stiftet das Bild des Denkmals.

Der Ausschuss organisiert für den 13. Juli 1890 eine feierliche Einweihung. Zugegen sind der Tiroler General Beck, Mitglieder von zwölf österreichischen Veteranenvereinen und einem aus Mittenwald, zahlreiche Fahnenabordnungen und zwei Musikkapellen.

1979 wird das Denkmal von der Schützenkompanie Scharnitz und mit finanzieller Unterstützung des Schwarzen Kreuzes in vielen freiwilligen Arbeitsstunden restauriert. Bei einer Gedenkfeier weiht Dorfpfarrer Josef Singer es neu ein. Neben den Abordnungen der Schützenkompanien aus Scharnitz und Mittenwald ist als besonderer Ehrengast und Vertreter Frankreichs Baron Ellin Rothschild anwesend.

In der Bevölkerung wird das Denkmal oft als „Franzosendenkmal“ bezeichnet, da es ausschließlich den 1.800 Gefallenen aus der französischen Armee gewidmet ist. Die Männer, die 1805 auf österreichischer Seite im Kampf den Tod gefunden haben, sind auf den umliegenden Dorffriedhöfen begraben worden. Für die Gefallenen von 1809 gibt es in Scharnitz ein Gemeinschaftsdenkmal. In jenem Jahr sind Franzosen, Bayern und Tiroler gemeinsam bestattet worden.

Die Kaserne

Wir sind nun vom Torbereich etwas zurückgegangen, verfolgten den Schanzweg bis wir zur Isarpromenade kamen und begaben uns auf dieser bis zu jenem Punkt, an dem wir uns nun befinden. Die Bezeichnung der vorher abgegangenen Straße - "Schanzweg" - ist ein weiterer Straßenname in Scharnitz, der direkt von der Porta Claudia abgeleitet wird.

Nun befinden wir uns an der Rückseite des ehemaligen westlichen Zollgebäudes und können auf eine große Wiese und einen Hügel blicken. Der Hügel war einst Teil des Walls, auf dem das Mauerwerk der Porta Claudia errichtet war, das bis zur Isar reichte. Würde man heute in diesen Hügel hinein graben, würde man auf Steinreste der Mauer stoßen. Der Platz, der heute als "Porta Claudia Arena" bezeichnet wird, umfasste damals den von Mauern umschlossenen Bereich der Festungskaserne.

Die Kaserne bestand aus insgesamt drei Gebäuden: direkt an der Straße und seitlich an die Mauer beim Haupttor angeschlossen befand sich das Innere Wachthaus. Es war etwas schmäler als das heutige Zollgebäude und lag von seiner Position nicht so weit hinten. Ein Vergleich einer aktuellen Karte aus der Vogelperspektive und einem Plan der damaligen Festung zeigt uns eindeutig, dass das Wachthaus um einiges östlicher als das heutige Gebäude lag.

Das zweite Gebäude, das zum Kasernenkomplex gehörte war das Pulvermagazin. Es ist heute noch sehr gut erhalten und von unserer Position aus rechts sichtbar. Obwohl es von außen wenig ansehnlich aussieht, ist das Gebäude innen mit seinem Gewölbe noch sehr gut intakt, sollte allerdings saniert werden um es längerfristig als historisches Denkmal zu erhalten. Im Pulvermagazin wurde die Munition gelagert.

Zwischen dem Pulvermagazin und dem Inneren Wachthaus lag, an die heute noch sichtbare südliche Mauer rechts hinten angebaut, das eigentliche Hauptgebäude der Kaserne. Heute ist nichts mehr davon erhalten. Seinen Standort können wir aber ungefähr dort ausmachen, wo es heute beim alten Zollgebäude den Zugang zur Porta-Claudia-Arena gibt.

Die Mauer, die diesen Arena-Bereich umgibt, der früher auch als Garten des Zollgebäudes fungierte, ist bereits in den alten Plänen zur Porta Claudia enthalten und existierte deshalb schon zur damaligen Zeit.

Nach der Auflassung der Zollämter nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 01.01.1995 bzw. dem Beitritt Österreichs zum Schengener Abkommen, das 1998 in Kraft trat, wurden die nicht mehr benötigten Zollkontrollhütten abgebaut, die Zollgebäude vom Staat verkauft. Das westliche Zollgebäude wurde durch die Gemeinde Scharnitz angekauft. Heute befindet sich darin u.a. das Büro der Ortschronik und das Vereinslokal des Kunst- und Kulturvereins Scharnitz, der sich auch mit der Geschichte der Porta Claudia auseinandersetzt.

Im ehemaligen Kasernenhof wurde 2009 eine Bühne errichtet, auf der Theateraufführungen und musikalische Veranstaltungen stattfanden, Festmessen zelebriert und Volksfeste abgehalten wurden. Aufgrund der vielfachen Nutzung und dem Hügel, der bei diesen Gelegenheiten mit Sitzgelegenheiten wie eine Tribüne ausgerüstet wurde, wurde die Bezeichnung "Porta Claudia Arena" für diesen Platz eingeführt. Auch in Zukunft sollen hier Veranstaltungen mit historischem Bezug stattfinden, die Arena ausgebaut werden.

Das Wehr

Wir verlassen den Bereich der Kaserne und spazieren die Isarpromenade entlang. Hier auf der Isar-Promenade finden wir einen der besten Ausblicke, um uns vorstellen zu können, wie früher das Wasserwehr und die dazugehörige Brücke verlaufen ist.

Hinter den Mauern befanden sich Brücken, die von der Festung über die Isar führten. Aber das Mauerwerk der Torbastion und jenes der Isarbastion, die sich westlich den Berg hinauf zieht, waren auch durch ein Wehr miteinander verbunden. Dieses Wehr, das man auch auf den verschiedenen Modellen der Porta Claudia erkennen kann, war nicht nur ein Hindernis, das für einen Angreifer eines Wassersperre darstellte, sondern mit dem man auch die Ableitung der Isar zum Wassergraben regulieren konnte.

Die Brücke über dem Wehr diente sowohl als Verbindung zwischen den beiden Festungsteilen als auch als zusätzlicher Verteidigungsbereich gegen einen heranrückenden Feind. Gerade das Modell in Oberammergau, obwohl es nicht maßstabgetreu ist, zeigt gut, wie das Wehr einst ausgesehen haben muss.

Sieht man auf die andere Seite der Isar, kann man das Mauerwerk noch gut erkennen, das zum Wehr und seiner Befestigung gehörte. Es gab insgesamt zwei Bereiche des Wehrs, den nördlichen mit einer Schleuse zum Fluten des Grabens und einen südlicheren, über den ebenfalls eine Brücke führte und der durch die links der Isar empor führenden Befestigungsbereiche gesichert war.

Heute fließt die Isar ungehindert von Scharnitz nach Mittenwald und füllt unterwegs auch keine Wassergräben mehr.

Die Umgehung - Der Anfang vom Ende

Es ist der 4. November 1805. Marschall Neys Truppen bereiten sich bei Mittenwald auf den nächsten Kampf vor. Die Aufforderung zur Kapitulation haben die Tiroler mit einem Ausfall beantwortet, der die französisch-bayerischen Truppen gezwungen hat, sich hierher zurückzuziehen.

General Loison erhält von Ney den Befehl, sich die wesentlich schwächer besetzte Leutascher Schanze vorzunehmen. Der Marschall selbst wird mit seinen Truppen gegen die Porta Claudia vorgehen. Nochmals fordert er die Scharnitzer auf zu kapitulieren, doch die reagieren mit einem neuerlichen Ausfall und weigern sich aufzugeben. Nach dieser dritten Absage an eine Kapitulation gibt es kein Zurück mehr. Um zwölf Uhr soll die Offensive beginnen.

Derweil findet General Loison für seine Mission gegen die Leutascher Schanze in Mittenwald Helfer. Schon im Spanischen Erbfolgekrieg hundert Jahre zuvor haben die Bayern die Porta Claudia nur von Süden einnehmen können. Dorthin sind sie einmal über die Berge gelangt. Zu den größten Schwächen dieser Grenzverteidigungsanlagen im Norden Tirols gehören also die Pfade, die um sie herumführen. Loison hört auf die Ortskundigen. Ein Mittenwalder Jäger dient ihm als Führer.

Die Tiroler haben die Leutascher Schanze verstärkt. Unter dem Kommando von Major Kraus warten 600 Männer und drei Kanonen darauf, Widerstand gegen die Angreifer zu leisten. Doch das „Alpl“ am Bergrücken nördlich des Leutaschtal-Ausgangs ist mit nur 38 Landstürmern unter der Führung von Matthias Reindl besetzt. Hierher führen die Mittenwalder nun die Franzosen. Sie gehen über den Alpberg und den Grünberg, dann beziehen sie oberhalb der Leutascher Schanze Stellung. Die Tiroler entdecken sie, und es kommt am Puitbach zum Gefecht. Um drei am Nachmittag ist alles vorbei. Die Leutascher Schanze ist gefallen.

General Loison verliert keine Zeit. Er weiß nicht, wie sich der Kampf an der Porta Claudia entwickeln wird, will aber den Tirolern bei Scharnitz eine üble Überraschung bescheren und die Festung von hinten angreifen, Marschall Ney so von der Südseite her unterstützen. Loison entlässt die Leutascher Gefangenen auf ihr Ehrenwort hin und zieht mit seinen Truppen zum Schlossberg. Dort lässt er noch vor Einbruch der Dunkelheit die Straße sperren. Damit ist eine Nachschubroute versperrt, und ein Teil seines Kontingents kann Richtung Scharnitz aufbrechen. Zeit ist nach wie vor ein wichtiger Faktor.

Die Front vor Scharnitz

Nachdem Loison mit seinen Soldaten nach Leutasch aufgebrochen ist, lässt Marschall Ney hier, wo wir gerade sind, seine Geschütze in Position bringen. Die Armee ist ostseitig vor Scharnitz in Stellung gegangen. Ney fordert die Tiroler erneut zur Kapitulation auf. Diese antworten darauf mit einem dritten Ausfall, den seine Kämpfer abwehren können.

Swinburne beobachtet die Franzosen. Dann wendet er sich an seine Truppe und schwört sie auf ein hartes Gefecht ein. Es ist der Namenstag von Erzherzog Karl. In seinem Namen sollen die Tiroler kämpfen und für Namenspatron und Erzherzog die Festung halten. Swinburne packt seine Männer bei ihrer Ehre. Es gelingt ihm, die Moral der Truppe trotz der französisch-bayerischen Übermacht zu heben und sie anzuspornen, die Angreifer zurückzuschlagen.

Auf der anderen Seite gibt Ney den Befehl, die Festung Scharnitz sturmreif zu schießen. Doch den Tirolern gelingt es, die Geschütze auszuschalten. Ney befiehlt nun seiner Infanterie einen Sturmangriff auf das Vorwerk der Porta Claudia. Die Franzosen treffen in einem heftigen Gefecht am westlichen Flügel auf die Artillerie der Tiroler und schalten sie aus. Sie dringen in den Graben vor und schaffen Sturmleitern heran, um die Festung zu erklimmen. Swinburne und seine Leute können die Stürmenden aber zurückschlagen. Ney befiehlt einen weiteren Angriff, diesmal weiter hangseitig im Westen der Anlage. Das ehemalige Blei-Bergwerk dient ihm als Startpunkt für diese Offensive. Den Eingang in dieses Bergwerk können wir heute noch sehen.

Die Tiroler schlagen die Franzosen aber wieder zurück. Insgesamt wehren sie an diesem Tag acht Angriffe auf die Porta Claudia ab. Bei Einbruch der Dämmerung, im November ist dies bereits am späteren Nachmittag, sind 1.800 Angehörige der französisch-bayerischen Armee vor den Toren der Porta Claudia gefallen. Die erschöpften Kämpfer bergen die Leichname ihrer Kameraden und tragen sie in Heustadeln im Ried zusammen, wo sie sie verbrennen. Danach ziehen sich Franzosen und Bayern nach Mittenwald zurück.

Die Porta Claudia fällt

Während Franzosen und Bayern am 4. November 1805 1.800 Tote zu beklagen haben, sind unter Swinburnes Kommando hundert Tiroler gefallen. Der Rückzug der Angreifer in der Dämmerung lässt den Oberstleutnant hoffen, bis zum nächsten Morgen eine Kampfpause zu haben. Doch um zehn Uhr abends erreicht ihn ein Bote mit der Nachricht, dass Leutasch gefallen ist. Swinburne ist klar, dass Scharnitz von hinten angegriffen werden wird. Nun muss er schnell handeln, um den Weg nach Innsbruck freizuhalten und zu verhindern, dass die Franzosen über den Schlossberg nach Scharnitz durchstoßen.

Swinburne befielt seinen Truppen, den raschen Rückzug vorzubereiten. Er selbst bricht noch in der Nacht mit einem Kontingent und zwei Kanonen Richtung Seefeld auf, um den Schlossberg zu sichern. Bei Tagesanbruch, gegen fünf Uhr früh, trifft er dort auf den Vorposten der Franzosen, etwa 200 Soldaten. Es kommt zu Gefechten. Den Tirolern gelingt es, ihre Gegner zu zerstreuen, drei Offiziere und fünfzig Soldaten nehmen sie gefangen. Fürs Erste scheint der Weg nach Innsbruck frei zu sein. Aber Swinburne weiß, dass dieser alles andere als leicht werden wird.

Die Kämpfe am Schlossberg haben Loisons Division alarmiert. Sie bieten eine Verstärkung auf, die kurz vor Seefeld auf das bereits dezimierte Bataillon Swinburnes trifft. Im Kampf gelingt den Dragonern ein Ausbruch, sie stoßen bis fast in den Ortskern vor. Doch die Franzosen sind übermächtig. Swinburne erkennt die Aussichtslosigkeit seines Kampfes. Im Wissen, das Vorrücken der Franzosen Richtung Innsbruck zumindest verzögert zu haben, kapituliert er.

General Loison schickt daraufhin 4.000 Männer nach Scharnitz, die die Porta Claudia wie geplant von hinten übernehmen. Die Tiroler müssen sich ergeben und öffnen Marschall Ney die Tore. Dieser hält sich nur kurz in Scharnitz auf. Er ordnet an, dass die Befestigungsanlage zerstört wird, damit sie künftig kein Hindernis mehr sein kann. Die Porta Claudia wird gesprengt. Ney bricht mit seinen Truppen nach Innsbruck auf. Am 6. November marschiert er in die Stadt ein.

Am 2. Dezember 1805 verliert Österreich die Schlacht von Austerlitz und muss Tirol noch im selben Jahr im Frieden von Pressburg an Bayern abtreten. Nun zeigt sich, dass Napoleon die militärischen Demütigungen durch die Tiroler nicht vergessen hat: Der Name Tirol wird verboten, das Land in die bayerischen Verwaltungskreise Eisack, Etsch und Inn aufgeteilt. Die Beamtenschaft wird ausgetauscht, der Tiroler Landtag aufgelöst.

Tirol erhebt sich

Unter der napoleonischen Besatzung sind die Tiroler zunehmenden Repressionen ausgesetzt. Als sie 1809 zum Kriegsdienst in die französische Armee eingezogen werden sollen, ist dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Bevölkerung weigert sich, die geforderten 1.000 Männer zu stellen. Immerhin gilt seit dem 16. Jahrhundert, dass Tiroler nur für die Verteidigung ihres eigenen Landes und nicht für fremde Mächte im Ausland kämpfen müssen – garantiert im Landlibell. Hundert bayerische Soldaten sollen nun aber in Axams eine Zwangsrekrutierung erzwingen. Doch es kommt anders: Ein heimlich aufgestellter Landsturm stellt sich den Bayern entgegen, entwaffnet sie und nimmt sie gefangen.

Daraufhin erheben sich die Tiroler in allen Landesteilen. Bayern ist nicht stark genug, um die Ordnung allerorts aufrechtzuerhalten. Da Napoleon die französischen Truppen gegen Österreich verlegt hat, schlagen bayerische Soldaten unter französischem Generalkommando die Aufstände nieder. Als die Franzosen im April Kämpfe gegen Österreich eröffnen, setzen die Tiroler zum systematischen Widerstand gegen die Besatzung an.

Am 11. April 1809 besetzen Unterinntaler Schützen unter Josef Speckbacher Volders, tags darauf erobern die Oberinntaler Schützen unter Major Martin Teimer die Innbrücke und nehmen die bayerischen Besatzer in Innsbruck gefangen, einen Tag später besetzen Andreas Hofers Leute Bozen. Die Schützenkompanien befreien Tirol aus der Besatzung, und nun rückt auch die österreichische Armee wieder in Tirol ein. Sie zieht Richtung Trient weiter, um die Franzosen dort zu vertreiben. Das gelingt am 26. April.

Im Zuge des Aufstandes hat sich auch in Scharnitz eine Truppe Landstürmer gegen die Besatzungskräfte erhoben. Die Tiroler haben 787 Infanteristen und 140 Männer der Kavallerie unter dem Kommando des bayerischen Brigadiers Max Graf Arco mit voller Wucht angegriffen und sie zum Rückzug bis nach Murnau gezwungen. Seit 7. April sind die Überreste der Porta Claudia wieder im Besitz Tirols.

Scharnitz soll rasch wieder in den Verteidigungszustand versetzt, die zerstörte Porta Claudia so gut es geht hergerichtet und neu befestigt werden. Was repariert werden kann, wird repariert. Am 16. April rückt Major Teimer mit österreichischen Soldaten und den Schützen gegen Mittenwald vor. Graf Arco hat mittlerweile allerdings Verstärkung bekommen. So stoßen Teimers Truppen auf den Widerstand des bayerisch-französischen Heers und werden zurückgeschlagen. Die improvisierten Verteidigungsanlagen in Scharnitz können nicht standhalten und müssen neuerlich aufgeben werden.

Doch jetzt erhält auch Teimer Unterstützung. Eine Innsbrucker Studentenkompanie unter der Führung von Professor Hauptmann Merso schließt sich den Bedrängten an. Sie gehen in die Offensive und schlagen die bayerisch-französischen Truppen zurück. So kann Scharnitz fürs Erste wieder eingenommen werden.

Derweil ist Napoleon gegen Osten gezogen. Am 13. Mai marschiert er in Wien ein und besetzt Österreich. Drei bayerische Divisionen wenden sich daraufhin wieder gegen Tirol. Am 19. Mai ziehen die Truppen unter General François-Joseph Lefebvre in Innsbruck ein. Auch in Mittenwald sammeln sich die Bayern und versuchen Ende Mai, die Überreste der Porta Claudia wieder einzunehmen. Halb Scharnitz geht während der Kämpfe in Flammen auf. Doch diesmal gelingt den Gegnern die Übernahme der zerstörten Festung nicht. Am selben Tag verlieren die Bayern auch die zweite Bergisel-Schlacht und müssen wieder aus Innsbruck abziehen.

Der Aufstand scheitert

Bis jetzt haben die Tiroler ihre Schlachten gegen die bayerisch-französischen Besatzer zwar gewonnen und sich von ihnen befreit. Am 6. Juli 1809 wird die österreichische Armee jedoch bei Wagram geschlagen. Der Kaiser muss daraufhin dem Frieden von Znaim zustimmen. Dieser hat für Tirol weitreichende Konsequenzen: Trotz der eigenen Siege fällt es zurück an Bayern. Wieder einmal ziehen sämtliche österreichische Truppen ab, in Tirol marschiert General François-Joseph Lefebvre als neuer Befehlshaber von 50.000 bayerischen und französischen Soldaten ein. Bei Scharnitz kommen Truppen unter dem Kommando von General Beaumont über die Grenze. Napoleon will an Tirol ein Exempel statuieren und weist General Lefebvre an, mit aller Härte und Brutalität gegen die Aufständischen vorzugehen. Bis 10. August 1809 sollen alle Anführer der Rebellion ihre Waffen abgegeben und sich ausgeliefert haben.

Doch die Härte der Besatzer ficht den Widerstandsgeist in Tirol neuerlich an. Schützen und der Landsturm kämpfen weiter gegen die Besatzer. In der dritten Bergisel-Schlacht am 13. August besiegen sie die Heere Lefebvres und schlagen sie in die Flucht. Die Tiroler besetzen daraufhin alle Grenzpässe, darunter auch den Übergang in Scharnitz, und befestigten sie aufs Neue.

Allerdings sammeln sich die Franzosen in Bayern neu und kehren drei Tage später mit 50.000 Männern zurück. Von allen Seiten stoßen sie nach Tirol vor. Am 26. Oktober überrumpeln sie die Scharnitzer Befestigungen. Die Dorfbevölkerung sucht noch während der Gefechte das Weite und zieht in die Karwendeltäler. Was in Scharnitz bis dahin noch nicht zerstört oder geplündert worden ist, fällt den Franzosen jetzt zum Opfer. Bis auf 14 stecken sie alle Häuser in Brand. Von den Plünderungen bleibt selbst die Kirche nicht verschont.

Die vierte Bergisel-Schlacht am 1. November 1809 endet mit der Niederlage der Tiroler. Das Land wird nun vollständig unterworfen. Die noch verbliebenen Befestigungsanlagen müssen geräumt werden. Was noch an Mauern und Befestigungen übrig ist, wird geschliffen. Die Leutascher Schanze und die Porta Claudia haben damit ihr letztes Kapitel als Verteidigungsanlagen hinter sich gebracht.

Doch die Geschichte schreitet fort. Nach der Niederlage Napoleons 1812 wechseln die Bayern die Seiten. Im August 1813 eröffnen die Alliierten erneut den Krieg gegen Napoleon. Am 3. Juni 1814 wird Tirol wieder mit Österreich vereint.

Wieder Nachbarn

Das Ende der bayerischen Besatzung in Tirol ermöglicht, dass in den beiden Ländern ein neues Kapitel in der Geschichte aufgeschlagen wird, jenes der guten Nachbarschaft. Doch gerade in Grenzregionen wie dem Werdenfelser Land oder auf dem Seefelder Plateau haben die historischen Ereignisse Wunden geschlagen, die erst über Generationen verheilen werden.

Die alte Grenze, 1766 durch den Karwendel-Vertrag festgelegt, ist ab 1814 wieder in Kraft. Die Zollämter am Grenzübergang in Scharnitz werden teilweise auf den Ruinen der Porta Claudia errichtet. Der aufkommende Sommertourismus prägt die folgende Zeit. 1912 wird mit der Karwendelbahn, auch Mittenwaldbahn genannt, die Zugverbindung zwischen Garmisch und Innsbruck eröffnet. Der Handel blüht auf.

Es ist schließlich wieder die große Politik, die die Entwicklung hin zu einer guten Nachbarschaft unterbricht. Am 29. Mai 1933 verhängt das nationalsozialistische Deutschland Sanktionen gegen Österreich und führt die so genannte Tausend-Mark-Sperre ein: Deutsche Staatsangehörige müssen 1.000 Reichsmark, heute etwa 4.300 Euro, bezahlen, wenn sie nach Österreich reisen; ausgenommen ist nur der kleine Grenzverkehr. Die Sanktion soll den österreichischen Tourismus schwächen.

1938 verschwindet Österreich von der Landkarte. Als Ostmark wird es NS-Deutschland „angeschlossen“. Seine Soldaten kämpfen unter dem Hitler-Regime im Zweiten Krieg. Als die Alliierten 1945 bis nach Mittenwald vorrücken, entsteht wieder eine Frontlinie zu Scharnitz. Die US-Truppen stoßen hier auf Widerstand durch die letzten NS-Kämpfer. Doch lange hält dieser nicht, und die Amerikaner marschieren in Scharnitz ein.

Es sind die letzten Kämpfe an dieser Grenze. In der Nachkriegsordnung sind Deutschland und Österreich Partner in Europa, ab 1995 auch gemeinsam Mitglieder der Europäischen Union und durch das Schengener Abkommen 1998 schließlich ohne sichtbare Grenze in Form von Grenzstationen oder -kontrollen zwischen ihnen.

Der Blick auf das Gestern

Was bleibt von der Geschichte der Porta Claudia? Von den Kämpfen 1805 und 1809? Was geben uns die Ereignisse für die Zukunft mit auf den Weg?

Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts gründen engagierte Gemeindemitglieder über die Grenze hinweg Initiativen, deren Mitglieder die alte Wehrruine als kulturelles Erbe betrachten und ihren touristischen Wert sehen. Vielerorts führt der Tourismusboom im 20. Jahrhundert dazu, dass kulturell interessierte Gäste aus den verschiedensten Ländern mehr über Ruinen, alte Burgen und Schlösser wissen möchten. Schließlich wird bekannt, dass es auch in Scharnitz Ruinen gibt, die anzusehen sich lohne. In Scharnitz bemühen sich der seit 1999 bestehende Kunst- und Kulturverein und der 2007 gegründete Verein zum Erhalt der Porta Claudia darum, die Überreste der Wehrruine und ihre historische Bedeutung einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und sie kulturtouristisch zu nutzen.

Die Porta Claudia und ihre Geschichte haben eine europäische Dimension. Aus einem Symbol für Teilung, Grenze und Krieg kann durch Betrachten der dramatischen Ereignisse und ihrer Folgen das Ziel der europäischen Einigung abgeleitet werden: Wir erkennen, wie wertvoll das friedliche Zusammenleben der Menschen unabhängig von Grenzen in einem vereinten Europa ist, in dem Engagement und Zusammenarbeit Ideen, Talente und Fähigkeiten zusammenbringen.

Als das Land Tirol 2009 anlässlich der Tiroler Freiheitskämpfe 200 Jahre zuvor ein Gedenkjahr abhält, sind es in Scharnitz die Grenze und ihre Geschichte, die in den Mittelpunkt rücken. In zahlreichen Veranstaltungen werden die Themen „Grenzen überschreiten“, Zusammenleben „ohne Grenzen“ betont und vermittelt. Künstler verarbeiten ihre Gedanken dazu in Werken, eine geschichtliche Ausstellung bringt den Menschen die Vergangenheit näher, Filme und Musik sind als bayerisch-tirolerische Koproduktionen ein lebendiges Zeugnis der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.

Mit der Bildung der Städtepartnerschaft zwischen Scharnitz an der Isar-Quelle und Plattling an der Isar-Mündung 2009 vertiefen sich die Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Tirol und Bayern für Scharnitz weiter. Sie sind die Grundlage und ein Beispiel für die Erfolgsgeschichte jener Länder, die sich einst im Krieg begegnet sind und nunmehr in Frieden und Wohlstand gemeinsam in die Zukunft gehen.