Route GELB/VIOLETT

Ein Zeugnis Bewegender Geschichte

Wir befinden uns in der Region Werdenfels, einem bergigen und südlichen Teil Bayerns. Hier befindet sich die Grenze zum österreichischen Bundesland Tirol. Eine Grenze, die im Laufe der Zeiten stark umkämpft war. Blutige Schlachten, aber auch Abkommen und Verträge änderten die Grenzen und schufen schließlich bis zum Heute eine freundschaftliche Partnerschaft zwischen Bayern und Tirol - Deutschland und Österreich. Im Herzen Europas.

Dort, wo wir heute auf steile Berge blicken und eine gebirgige Paßenge ausnehmen, bot sich schon in frühen Zeiten jene geographische Situation an, die militärische Strategen und Verteidigungsexperten als optimalen Platz ansahen, um eine Grenzverteidigung zu errichten. Im Osten sehen wir eine steile Felswand, der Fluss Isar fließt in der Mitte des Tals hindurch, im Westen erhebt sich ein bewaldeter Gebirgszug. Genau dort wurde eine der mächtigsten Festungsanlagen ihrer Zeit errichtet, die später als Porta Claudia in die Geschichte eingehen sollte.

Heute sind es Steine, Überreste von Mauern, die an die einst stolze Festung erinnern. Ein trauriges Zeugnis einer einst so gewaltigen Anlage, die Feinde abwehrte und von ihren Gegnern gefürchtet war. Zwischen dem 17. Jahrhundert und dem 19. Jahrhundert, also gerade einmal 200 Jahre reichte die Ära, in der die Porta Claudia bestand und ihre Aufgabe zu erfüllen hatte Tirol und die dort lebenden Menschen vor Feinden und den Schrecken des Krieges zu schützen.

Doch auch heute noch ist die Porta Claudia, obwohl eine Ruine, ein Zeugnis für die Geschichte. Eine Geschichte, die wir als europäische Geschichte, vielleicht sogar als weltpolitisch bedeutsame Geschichte ansehen, die allerdings zu bestimmten Zeiten Mittenwald und Scharnitz miteinschloss und die Region hier zum aktiven Teilhaber an den Ereignissen werden ließen.

Als 1632 mit dem Bau der Porta Claudia begonnen wird, war es der Dreißigjährige Krieg, der europäische Dimension hatte und dessen Auswirkungen ganz konkret Tirol und Scharnitz bedrohte. 1703 waren es die Ausläufer des Spanischen Erbfolgekrieges, die die Vernichtung der Porta Claudia, aber auch später ihren Wiederaufbau verursachten. 1805 versuchte Napoleon Bonaparte ganz Europa zu beherrschen und zog dabei mit den Bayern gemeinsam gegen Tirol, die Porta Claudia wird zum Kriegsgebiet blutigster Kämpfe.

Doch auch wenn die Wehranlage 1805 gesprengt wurde und ihre Überreste später von Menschen aus der Region als Baumaterialien benutzt wurden, prägt der Grenzverlauf noch später die Geschichte. Und heute - immer mehr Menschen interessieren sich für die alte Wehranlage der Porta Claudia, ihre Ruinen und Mauern. Längst ist das Interesse über die Geschichte mit einem Magneten für den Tourismus vermischt. Und auch die Politik erkennt die Ruine inzwischen als Symbol an - als Mahnmal für eine blutige Grenze, die hier wie auch anderswo im gemeinsamen Europa abgeschafft wurde.

Wir begeben uns nun auf den Weg von Mittenwald nach Scharnitz, durch das "Ried", wie der Riedboden gerne genannt wird. Dort, wo einst die Aufmärsche mächtiger Armeen stattfanden und sich Soldaten zum Angriff sammelten.

Europa versinkt im Krieg

Es ist das Jahr 1632. Europa ist bereits in einem der blutigsten Kriege seiner Geschichte versunken. Schon seit 1618 fließt Blut zwischen den Völkern Europas. Was mit dem Prager Fenstersturz begann, entwickelte sich von einem Religionskrieg zu einem immer brutaler werdenden Kampf um Macht und territoriale Kontrolle.

Es begann alles in Prag, wo der dem Haus Habsburg angehörende böhmische König Ferdinand II., zugleich auch römisch-deutscher Kaiser, seit 1617 regierte. Ferdinand  waren die rebellischen böhmischen Stände ein Dorn im Auge, die seine Autorität bedrohten. Als besonders strenger Katholik hatte er auch keine Freude mit den Protestanten in Böhmen. Gegen die Protestanten wurde eine gegenreformatorische Politik betrieben. Die Opposition gegen den König vergrößerte sich dadurch, vereinte sie nunmehr Protestanten sowohl der deutschsprachigen wie der böhmischen Bevölkerung mit der nichtdeutschsprachigen Opposition. Als am 23.05.1618 der Prager Fenstersturz stattfand, bei der die protestantischen Stände nach einer Landtagssitzung den königlichen Statthalter nebst zwei weiteren Beamten aus dem Fenster warfen, löste dies eine ungeahnte Kettenreaktion aus.

Die Revolte führte zum Böhmisch-pfälzischen Krieg. Kaiser Ferdinand II. versuchte mit Gewalt gegen die Aufständischen in Böhmen vorzugehen. Die Protestanten erhielten ihrerseits Unterstützung von Friedrich V. von der Pfalz, der sich an die Spitze der Protestantischen Union stellte, einer Allianz verschiedenster protestantischer Herrscher. Die Katholiken auf der anderen Seite organisierten sich in der Katholischen Liga, auch hier verschiedenste Adelige mit ihren Heeren, die den Kampf als Konfessionskrieg sahen. Die Liga triumphierte in dieser 1. Phase des Krieges über die Protestanten und besiegten Friedrich 1622.

Die 2. Phase des Krieges wird als Dänisch-niedersächsischer Krieg bezeichnet. König Christian IV. von Dänemark übernahm die Führung in der Protestantischen Union und zog mit seinen Verbündeten gegen den Süden. Zusammen mit Ernst von Mansfeld wurde der dänische König schließlich dank der militärischen Fähigkeiten der Liga unter ihren berühmten Kommandanten Johann von Tilly und Albrecht von Wallenstein in mehreren Schlachten geschlagen  und war 1629 zum Friedensschluss von Lübeck gezwungen.

Nach dem Ausscheiden Dänemarks übernahm Schweden die Führung der Protestantischen Union und mit Gustav Adolf ein König mit einem Heer, das seinesgleichen in dieser Zeit suchte. 1630 bis 1635 sollte diese Phase des Krieges, der Schwedische Krieg, dauern. 1631 wurden Tillys Truppen der Katholischen Liga vernichtend in der Nähe von Leipzig geschlagen, der Vormarsch der Schweden nach Süden schien nicht mehr aufhaltbar. Im April 1632 siegten die Schweden in Rain am Lech, im Mai wurde München vom Schwedischen Heer eingenommen.

Hatten sie es erst nach München geschafft, würde es nicht lange dauern ehe Gustav Adolfs Heer die österreichischen Länder einnehmen würde. Und so näherte sich die Walze des Todes, der Vernichtung und des grausamen Krieges auch Tirol. Und rückt damit Scharnitz vorübergehend auch ins Zentrum der Geschichte.

Claudia De’Medici

In diesen unruhigen Zeiten, in denen die Kriegsgefahr so groß wie nie war, lag die Verantwortung für Tirol in der Hand einer Frau: der Landesfürstin Claudia de’Medici.

Geboren am 4. Juni 1604 in Florenz als Tochter des Großherzogs Ferdinand der Toskana und seiner Frau Christine von Lothringen heiratete sie schon früh im Jahr 1621 Frederico Ubaldo della Rovere, der jedoch schon früh im Jahr 1623 verstarb. Mit 22 Jahren heiratete Claudia erneut: diesmal Erzherzog Leopold V. von Habsburg, wodurch sie auch Landesfürstin von Tirol wurde.

Leopold V. war der Bruder von Kaiser Ferdinand II., dessen Politik den Dreißigjährigen Krieg ausgelöst hatte. Claudia bringt nach Tirol italienische Kultur, aber auch Wissen und Innovation mit. Als die fünffache Mutter 1632 erneut Witwe wird, ist ihr ältester Sohn Ferdinand Karl gerade vier Jahre alt und weit davon entfernt selbst die Regierungsgeschäfte in Tirol zu führen. Claudia übernimmt selbst die Aufgabe der Landesfürstin und führt die Tiroler Regierungsgeschäfte zusammen mit ihrem Kanzler Wilhelm Biener bis 1646.

Claudia regiert klug: sie führt das Barocktheater ein und fördert die Kunst, setzt wirtschaftspolitische Impulse. Mit einer neuen Verfassung der Bozner Messe bringt sie 1635 den Handel in Schwung und gründet in Bozen im gleichen Jahr ein Merkantilmagistrat, das Handwerk in Tirol wird von ihr gefördert und Investitionen in die Infrastruktur durchgeführt.

Infrastruktur, dazu gehörte in den 1630er-Jahren freilich vor allem die Verteidigungsinfrastruktur. Claudia ist sich der politischen Lage bewusst und sieht mit Sorge, wie die Schweden nach Süden vorrücken. Noch unter Leopold V. hatten die  Brüder Christoph und Elias Gumpp, beides Innsbrucker Architekten, den Auftrag erhalten 1632 eine Nachschau bei den nördlichen Verteidigungsanlagen durchzuführen. Besonders Ehrenberg und Scharnitz standen im Fokus, rechnete man doch damit, dass die Schweden dort nach Süden durchbrechen konnten.

Eine Befürchtung, die nicht unbegründet war. Unter Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar marschierten Schwedische Truppen von Augsburg gegen Ehrenberg. Füssen wird am 23. Juni 1632 erobert. Ein Angriff auf Ehrenberg scheitert, vier Tage später ziehen sich die Schweden wieder zurück. Nun geht die Angst um: würden sie nun versuchen bei Scharnitz durchzumarschieren? Leopold reagiert: eine Kompanie aus Welschtirol wird zusammen mit gut ausgerüsteten Jägern und Schützen nach Scharnitz befohlen um dort die anwesenden Verteidigungskräfte zu verstärken.

Die Schweden kommen jedoch nicht. Durch einen Angriff von Wallenstein geraten die Schweden in die Defensive und müssen sich nach Nürnberg zurückziehen. Weitere Verluste am 3. September erzwingen einen weiteren Rückzug nach Sachsen, wo Gustav Adolf im November 1632 in einer Schlacht fiel.

Der Schock über das ungebremste Vordringen der Schweden in der ersten Jahreshälfte saß jedoch tief. Ehrenberg und Scharnitz müssen verteidigt werden und bestehende Befestigungen evaluiert werden.

Die Absicherung des Nordens

Die Nachschau der Gebrüder Gumpp fiel mit dem Tod von Leopold V. zusammen. Der Abschlussbericht der beiden Architekten wurde bereits von Claudia de'Medici entgegen genommen. Kaum geeignet um einen mächtigen Gegner abzuwehren seien die bestehenden Verteidigungsanlagen in Ehrenberg und Scharnitz, fiel das Urteil aus. Wenig verwunderlich für Scharnitz: im Gegensatz zu Ehrenberg gab es in Scharnitz keine Burg oder Festung, sondern als Verteidigungsmaßnahme wurde die Isar als natürliches Hinderniß mit den Gebirgsketten kombiniert und an leicht zu verteidigenden Stellen Schanzbauten errichtet. Für ein europaweit gefürchtetes modernes Heer wie das der Schweden kein wirkliches Hindernis also.

Claudia zögert nicht lange. Nur kurz nach ihrer Ernennung zur Regentin verfügt sie die bereits begonnenen Ausbauschritte in Ehrenberg fortzuführen und auch Scharnitz sollte ausgebaut werden. Doch wie so oft in der Geschichte sind Finanzierung und Arbeitskräftemangel Gründe für die Verzögerung von dringenden Projekten. Claudia weiß sich auch hier zu helfen: 1633 lässt sie herumvagabundierende Bettlerinnen und Bettler zur "Schanzarbeit" verpflichten. Die Gerichtsbezirke wurden verpflichtet sechs bis zehn gute Arbeiter nach Ehrenberg und Scharnitz zu schicken, darunter Maurer und Zimmerleute. Auch was die Umsetzung der Bauten betraf, mischte sich Claudia persönlich ein, forderte unter anderem auch eine Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit.

Ehrenberg hatte aufgrund der traumatischen Ereignisse 1632 zwar Vorrang. Aber bereits 1633 verfügte Claudia die Errichtung einer Schanze "an der Schernitzpruggen". Doch es gibt Probleme in Scharnitz: der Grenzverlauf. Die Brücke, die heute inmitten des Dorfes beim Gasthof Goldener Adler über die Isar führt, war damals der Grenzübergang zwischen Tirol und dem Bistum Freising, dem die Gebiete auf der anderen Seite gehörten. Erst 1611 war dort ein Grenzhäuschen errichtet worden.

Die Isar als natürliche Grenze und die Berge zu beiden Seiten des Durchzugstals sind zwar georgraphische Vorteile, doch der Gasthof Goldener Adler kann nicht gut zur Burg um- und ausgebaut werden. Eine Verteidigungsanlage im besiedelten Gebiet  auf Tiroler Boden ist eine schwere bis unmögliche Aufgabe. Eine neue Schanze, die müsse auf der anderen Seite der Isar gebaut werden, bevor der Feind an die Isar gelangt. Claudia muss daher zunächst mit dem Bistum Freising verhandeln, um die Wehranlage überhaupt errichten zu können.

Seit 1618 regierte Veit Adam von Gepeckh als Fürstbischof von Freising. Geboren am 10. April 1584 auf Schloss Arnbach bei Dachau führte der Sohn eines Kloster- und Dachauer Landrichters zunächst ein sehr weltliches Leben, ehe der mehrfache Vater zum Bischof geweiht wurde. Veit Adam von Gepeckh war ein kunstinniger Mann, der bei Peter Paul Rubens in Antwerpen Altarbilder in Auftrag gab oder die Fürstbischöfliche Residenz errichten ließ. Umso brutaler musste der Kriegseinbruch auf ihn wirken, als Freising 1632 von Gustav Adolf überfallen, beraubt und gebrandschatzt wurde. Die Schrecken des Krieges brachten Hunger und Pest über Freising. Die Bitte Claudias den Freisinger Grund für die Errichtung einer Schanze verwenden zu dürfen, erreichte also einen Mann, der die Schrecken des Schwedischen Durchmarsches schon am eigenen Leib erfahren hatte. Die Vereinbarung zwischen Bischof Veit Adam und der Landesfürstin beinhalteten lediglich die Verpflichtung die Rechte auf Almabtrieb, "Pluembesuech", Holzschlag und andere Nutzungsrechte zu respektieren. Nachdem diese Hürde genommen war, konnte mit der Errichtung der Wehranlage begonnen werden.

Die Arbeiten an der Porta Claudia

Um ein solches Projekt wie die Wehranlage bautechnisch umzusetzen, braucht es nicht nur Architekten wie die Gebrüder Gumpp. Es braucht auch Geld, Material und Arbeiter. Um genügend Arbeiter zu haben hatte Claudia bereits für Ehrenberg verfügt, dass die anderen Gerichtsbezirke mit Personal aushelfen und Zimmerleute und Maurer nach Scharnitz schicken sollten.

In erster Linie wurden Arbeiter aus den umliegenden Orten herangezogen, die beim Schanzbau mitarbeiten sollten. Zusammen mit den aus den Gerichtsbezirken geschickten Leuten und den zwangsrekrutierten Bettlern und Landstreichern ergab sich eine stattliche Zahl an Bauarbeitern, die fleißig an der Schaffung der Befestigung zugange waren. Der Zustrom von Arbeitern erreichte seinen Höhepunkt am 29. Mai 1634. Dokumentiert ist, dass Claudia dem Amtsrichter von Ehrenberg die Rekrutierung von Arbeitern erließ, das sich bereits genügend Männer in Scharnitz aufhielten.

War der Bau der Schanze 1634 abgeschlossen, so geschah was wohl überall bei Bauwerken geschieht: Verwitterung und schleichender Verfall setzten ein, Reparaturen und Sanierungsarbeiten waren vonnöten. Doch hatte sich die Bedrohungslage inzwischen wieder entfernt und finanzielle Mittel des Landes flossen in andere Projekte. Bereits 1641 war die Schanzanlage so reparaturbedürftig, dass sich die Landesregierung damit auseinandersetzen musste. Allerdings hatte die Kammer zunächst kein Geld dafür übrig.

Erst am 1. Dezember 1642 wurde Elias Gumpp, dessen Bruder Christoph inzwischen Hofarchitekt der Landesfürstin geworden war, beauftragt nicht nur Ehrenberg zu besichtigen, sondern auch Scharnitz und etwaige Reparaturbedürfnisse festzustellen. Die Überprüfung dauerte Jahre. Am 7. April 1645 lag Claudia ein Bericht über Scharnitz vor. Er war alles andere als positiv, doch Gumpp beschränkte sich nicht nur auf einen einfachen Bericht, er versah ihn auch mit Vorschlägen: ein zweites Tor sollte errichtet werden, um den Durchzug von Truppen zu verhindern. Im Herbst 1645 beauftragte Claudia die notwendigen Arbeiten an der Porta Claudia, ebenso wie Ausbesserungsarbeiten und die Fertigstellung von bereits begonnen Reparaturen.

Die Entscheidung fiel natürlich nicht ohne die überregionale politische Entwicklung im Auge zu behalten. Der Dreißigjährige Krieg war noch lange nicht vorbei. Ab 1635 hatte die vierte Phase begonnen: der schwedisch-französische Krieg. Bereits 1634 hatten die protestantischen und schwedischen Truppen eine vernichtende Niederlage erlitten, die zum Ausscheiden der protestantischen Reichsstände aus der Protestantischen Union führte, Unter der Führung der Kursachsen wurde mit Kaiser Ferdinand II. der Prager Friede abgeschlossen. Die Schweden wollten den Krieg jedoch nicht beenden. Sie verbündeten sich daraufhin mit dem katholischen Frankreich und schlossen den Vertrag von Compiègne. Gestärkt durch den neuen Verbündeten zogen die Schweden wieder gegen die Habsburger. Die konfessionelle Note des Krieges verschwand in dieser Phase völlig.

Das Unheil zieht vorüber

Als Elias Gumpp 1642 die Besichtigung der Schanze in Scharnitz vornehmen musste, häuften sich die Frontberichte über das Näherkommen der schwedisch-französischen Truppen. Doch zwischen den Kriegsparteien gab es keine Schlachten mehr, die das Pendel entscheidend in die eine oder anderen Richtung hätten bewegt. In dieser Situation kommt es bereits ab 1643 zu Verhandlungen in Münster und Osnabrück über einen möglichen Friedensschluss. Ein Ende des Krieges scheint also absehbar. Claudia geht davon aus, dass die Bedrohung wieder zurückgeht. Gumpp kann sich mit seinem Bericht Zeit lassen.

1645 allerdings einigen sich die Schweden mit den Sachsen auf einen Waffenstillstand. Sachsen scheidet damit aus dem Krieg aus. Ohne diese Kriegspartei können schwedisch-französische Truppen wieder vermehrt in den Süden vordringen. Es überrascht nicht, dass die Tiroler Regierung deshalb im Herbst 1645 auf die Bedrohungslage reagiert und Claudia die Befestigungsanlage ausbauen und reparieren lässt. Die Zeit läuft schließlich davon: im Herbst 1646 befinden sich die Schweden schon in Bayern und bedrohen neuerlich die Tiroler Nordgrenze. Unerwartet kommen sie auch vom Westen. Am 4. Jänner 1647 erobern sie Begrenz und setzen ihren Weg Richtung Tirol fort.

Es sollte noch bis 1648 dauern, ehe der Westfählische Friede verkündet und damit der Dreißigjährige Krieg beendet werden kann. Kämpfe, Scharmützel und Schlachten hatten bis zum Schluss die Kriegsparteien und die Menschen in den Gebieten, wo die Kriegshandlungen ausgetragen wurden, in Atem gehalten.

Claudia de'Medici amtiert als Landesfürstin bis 1646, ehe sie die Regierungsgeschäfte abgibt und ihr Sohn Ferdinand Karl Tiroler Landesfürst wird. Das Kriegsende erlebt sie noch. Claudia verstirbt am 25. Dezember 1648 im Alter von nur 44 Jahren in Innsbruck. Dass die Wehranlage in Scharnitz einmal ihren Namen tragen soll, das erlebt sie allerdings nicht mehr.

Und auch ein anderer politischer Weggefährte sollte Claudia bald in den Tod folgen: Kanzler Wilhelm Biener, dem im 20. Jahrhundert das Buch "Der Kanzler von Tirol" gewidmet wurde, in dem auch eine Szene in Scharnitz spielt, wird 1651 nach einem Geheimprozess von Ferdinand Karl hingerichtet.

In Scharnitz steht nun eine Befestigungsanlage. Doch ist nun die Gefahr fürTirol schon vorüber? Kommen Zeiten des Friedens? Noch ahnt niemand, dass die Schanze in Scharnitz schon 50 Jahre später fallen soll.

1703: Die Porta Claudia fällt

1703 sucht der „Bayerische Rummel“ die Region heim. Es ist ein Krieg, in dem sich Bayern und Habsburger gegenüberstehen. Erbittert wird gekämpft. Scharnitz wird neuerlich zum Frontgebiet.

Der „Bayerische Rummel“ ist einer der regionalen Auswüchse des Spanischen Erbfolgekriegs. Am 1. November 1700 stirbt Karl II., König von Spanien und Habsburger. Selbst kinderlos, hat Karl einen Erben eingesetzt: Philipp V., einen französischen Adeligen aus der Königsdynastie der Bourbonen. Die österreichische Linie der Habsburger unter Kaiser Leopold I. sieht diesen möglichen Einfluss der Bourbonen in Spanien als Bedrohung an und unterstützt – letztlich vergeblich – einen anderen Kandidaten.

Wie im Dreißigjährigen Krieg scharen sich rund um die Konfliktparteien zahlreiche Verbündete, die auch ihre ganz eigenen Motive dafür haben. So weitet sich der Erbstreit um den spanischen Thron rasch zu einem Krieg aus, in dem sich die Haager Große Allianz mit den Habsburgern und ein breites antihabsburgisches Bündnis unter der Führung des französischen Königs Ludwig XIV. gegenüberstehen. Die Kämpfe werden sich bis in die Kolonien Nordamerikas auswachsen und bis 1714 andauern.

Bayern ist im Spanischen Erbfolgekrieg mit Frankreich verbündet, Tirol kämpft auf Seiten der Habsburger. In dieser Konstellation hat Bayern eine Schlüsselfunktion, denn Frankreich befiehlt seine Truppen in Oberitalien in den Norden. Sie sollen in Tirol auf das bayerische Heer treffen, um von hier aus nach Osten Richtung Wien vorzurücken. Diesem Plan folgend entsendet Kurfürst Max II. Emanuel von Bayern seine Truppen, die am 17. Juni 1703 an der Tiroler Nordgrenze stehen. Tags darauf bezwingen sie die Windhausen-Schanze bei Erl, zwei Tage später belagern die Bayern Kufstein. Brände greifen hier auf das Pulverlager der als uneinnehmbar geltenden Festung über, die Pulvervorräte explodieren. Kufstein kapituliert am 20. Juni. Am 23. Juni nehmen die Bayern Rattenberg ein, am 25. besetzen sie Hall, am 26. marschieren die bayerisch-französischen Truppen in Innsbruck ein.

Am 28. Juni 1703 greifen die nun aus dem Süden kommenden bayerischen Truppen die verbliebenen Grenzbefestigungen im Norden an: Sie besetzen Ehrenberg, die Leutascher Schanze und auch Scharnitz.

Doch das Kriegsglück der Bayern hält nicht lange an. Bereits drei Tage später schlagen die Tiroler sie im Oberinntal zurück. Von Osten erreichen österreichische Truppen Tirol. Ende Juli bleibt Max II. Emanuel nichts anderes übrig, als seine Truppen über das Seefelder Plateau nach Norden zurückzuziehen und Tirol aufzugeben. Doch bevor die Bayern Scharnitz verlassen, sprengen sie hier das Pulvermagazin in die Luft und zerstören Teile der Wehranlage.

Abfinden wird sich der bayerische Kurfürst mit dieser Niederlage jedoch nicht. Wenig später versucht er nochmals, über Scharnitz in Tirol einzufallen. Um die Wehranlage erneut einnehmen zu können, bedienen sich die Bayern einer List: Ein Mittenwalder Jäger führt sie um die Wehranlage herum. So können die bayerischen Soldaten die Tiroler wieder von hinten überrumpeln. Scharnitz ist eingenommen.

Die Nachricht von der Eroberung von Scharnitz breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Die österreichischen Truppen, die nach der vermeintlichen Abwehr der Bayern abgezogen sind, machen kehrt. Unter General Sigbert Heister marschieren sie wieder Richtung Tirol, um Scharnitz zurückzuerobern. Mit diesem schnellen Einschreiten haben die Bayern nicht gerechnet. Erneut müssen sie sich geschlagen geben, doch vor ihrem Rückzug sprengen sie diesmal die gesamte Wehranlage in Scharnitz.

Siebzig Jahre nach ihrer Errichtung wird die Porta Claudia damit zum ersten Mal zur Ruine.

Eine Wiederauferstehung

Es sind erschreckende Zahlen, die auf Bayerischer Seite 1703 zu verbuchen waren: ein Krieg, der gerade eineinhalb Monate gedauert hat, brachten den bayerischen Truppen einen Verlust zwischen 3.000 und 4.000 Soldaten. Diesen verlorenen Leben stehen gerade 100 Tote auf Tiroler Seite gegenüber. Aufgrund der zeitlichen Kürze der Kampfhandlungen geht der Krieg  als "Bayrischer Rummel" in die Geschichte ein - harmlos war er zweifelsfrei nicht.

Während der gesamte Spanische Erbfolgekrieg noch bis 1714 dauern sollte, war 1703 für Tirol und Bayern im Wesentlichen der Krieg vorbei. Die Wunden waren aber geblieben. Eine völlig zerstörte Porta Claudia und die Besetzung Bayerns durch Österreich waren das Ergebnis. Die Besatzung sollte bis 1715 andauern und sich für die Bayern als alles andere als angenehm herausstellen: Willkür und Repression standen an der Tagesordnung.

Wenig verwunderlich, dass sich bayerische Aufständische relativ rasch gegen die Besatzer zu organisieren begannen. Bereits ab Sommer 1705 organisierten sich die Aufständischen und erste gewalttätige Ausschreitungen entluden sich im Herbst in der Oberpfalz, in Niederbayern und in der unserer Region hier am nahesten Region um Bad Tölz.

Kaiser Josef I., der die österreichischen Truppen anführte und am 5. Mai Kaiser des Heiligen Römischen Reiches wurde, durfte wohl die zunehmend aufgeladene Stimmung der bayerischen Landbevölkerung nicht verborgen geblieben sein, denn 1705 fasste er auch den Beschluss, die Grenzbefestigung in Scharnitz wiederaufzubauen. Dazu werden neue Anlagen gebaut, im Norden eine neue Talsperre mit Kapelle und bauliche Änderungen und Verbesserungen am Fort Sankt Nikolo hoch über dem Ort.

Am 25. Dezember 1705 kommt es in Sendling bei München zu den bislang gewalttätigsten Ausschreitungen zwischen den bayerischen Aufständischen und der habsburgischen Besatzung. Sie geht als "Sendlinger Mordweihnacht" in die Geschichte ein. Die Reichsarmee unter dem Kommando von Kaiser Josef I. werden besiegt. Zwar setzten sich die österreichischen Besatzer gegen die aufständischen Bauern längerfristig durch und führten einen Gegenschlag durch, der den gesamten Aufstand schließlich niederschlug, doch 1715 muss sich Österreich schließlich aus Bayern zurückziehen. Das Klima zwischen Österreichern und Bayern ist aufgrund dieser Ereignisse auf längere Zeit vergiftet worden.

Josef I. stirbt 1711 und erlebt den Rückzug nicht mehr. Dass er damit gerechnet haben durfte, das erkennt der Beobachter an seinem Bemühen um die Wiedererrichtung der "Porta Claudia". Seine baulichen Maßnahmen an der Grenzbefestigungsanlage überdauern ihn und seine Regentschaft. Und wie schon ein Jahrhundert zuvor sind es nicht nur Errichtungsmaßnahmen, die durchgeführt werden, sondern auch laufend Ausbesserungs- und Sanierungsarbeiten. Die Witterung ist gnadenlos in den Bergen…

Die Isar führt Hochwasser

Der langsame Verfall der Porta Claudia durch Witterung hatte bereits Claudia de'Medici veranlasst über bessere Abdeckung und Baumaterialien zu sprechen, um Gebäude länger in gutem Zustand zu halten. Für eine Wehranlage sind Maßnahmen für das Aufrechterhalten eines guten Zustandes im Kriegsfall lebenswichtig.

Doch das Wetter kann man nicht aufhalten. Tief verschneite Winter mit extrem niedrigen Temperaturen und Schneemassen, heftige Windstürme, die den Schnee auch noch in die tiefsten Ritzen tragen, sind noch heute üblich. Gefriert das Wasser, dehnt es sich aus und mit jedem Frost werden weitere Mauerteile aufgebrochen und aufgesprengt. Das sonnige Wetter, das den Schnee und das Eis schmelzen lässt, führt zum Abrinnen des Wassers, lässt es aber auch tiefer in das Mauerwerk eindringen. Und fällt die Temperatur das nächste Mal wieder, friert das Wasser und die Sprengkraft des Eises setzt ihr Zerstörungswerk fort.

Strenge und kalte Winter sind in der Region keine Seltenheit, doch 1757 ist ein Ausnahmejahr: die Schneemassen sind dermaßen erdrückend und der Winter hart, dass der Ortschronist sie ausdrücklich erwähnt.

Im Karwendelgebirge hält sich Schnee und Eis länger. Doc h wird es warm und  kommt ein besonders heißer Sommer, setzt eine Schneeschmelze ein, die die Bäche bald an ihre Grenze bringt. Die Zuflüsse im Karwendel führen in die Isar. Die Isar führt durch das Dorf. Und führt sie zu viel Wasser, kann sie auch an die Ufer treten. Die Gefahr ist am größten, wenn es zuvor Winter mit viel Schnee gab.

1762 kommt es zu einer der schwersten Hochwasserkatastrophen an der Isar. Sie richtet Schäden im Karwendel an, im Dorf, aber auch an der Talsperre. Die Chronik berichtet darüber, dass vom 9. bis 12. Juli von der Klamm auswärts die Isar "fürchterlich gewütet" habe. Der Fluss tritt über die Ufer und steigt so stark an, dass Wasser sogar durch die Fenster der Festungskaserne drang.

Hochwasser wird begleitet von Schotter und Schlamm. Mauerwerk wird ausgewaschen und angegriffen. Als das Wasser wieder zurückgeht, bleiben Schäden an der Festungsanlage zurück, die die ohnehin schon witterungsbedingten Schäden der vergangenen Jahre noch verschlimmern.

Und so ist es plötzlich nicht mehr der Feind in Rüstung und unter Waffen, der der stolzen Wehranlage zusetzt. Doch nach jedem Gewitter scheint wieder die Sonne. Und auch für die Porta Claudia sollten wieder sonnige Tage anbrechen.

Der Karwendel-Vertrag

1740 wird Maria Theresia Regentin von Österreich. Die 1717 in Wien geborene Erzherzogin hat 18-jährig Herzog Franz Stephan von Lothringen geheiratet. Nach dem Tod ihres Vaters, Kaiser Karls VI., wird sie jetzt mit 23 Jahren Herrscherin über das habsburgische Vielvölkerreich. Fünf Jahre später wird ihr Gatte zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt. Von da an führt sie den Titel „Römische Kaiserin“.

Es sind unruhige Zeiten. Unmittelbar nach ihrem Amtsantritt muss Maria Theresia sich dem Österreichischen Erbfolgekrieg stellen. Der Krieg wird acht Jahre dauern, Österreich am Ende Grafschaften und Herzogtümer verlieren. Kriegsglück ist der jungen Monarchin nicht beschieden. Um ihre Position zu stärken, setzt Maria Theresia innenpolitische Reformen um: Sie modernisiert den Staat im großen Stil, führt die Schulpflicht ein, verbessert die Lage der Bauern und schafft die Folter ab.

Auch das Militär kommt nicht zu kurz. Die bitteren Erfahrungen der militärischen Niederlagen lehren die Kaiserin, hier aktiv zu werden. In Wiener Neustadt gründet sie die Militärakademie, die heute noch als „Theresianum“ den Führungskader des österreichischen Militärs ausbildet. Das Heereswesen erfährt eine gründliche Neuordnung. Die militärische Infrastruktur rückt ebenfalls in den Fokus. Und damit wird wieder eine Frau das Schicksal von Scharnitz maßgeblich bestimmen.

In den 1760er-Jahren beschließt Maria Theresia, die zerstörte Schanze in Scharnitz reparieren, ausbauen und verstärken zu lassen. Die schweren Schäden hier drängen zum Handeln. Doch wie schon Claudia de’ Medici stellt sich auch Maria Theresia das bekannte Problem des Grenzverlaufs: Die Wehranlage in Scharnitz steht nicht in Tirol, sondern auf Freisinger Grund.

Die Kaiserin ist allerdings bereits darin geübt, das Gebiet ihres Reiches auf diplomatischem Wege und durch Verhandlungen zu erweitern. Im Grenzproblem mit Freising bietet sich zudem eine günstige Gelegenheit: 1763 wird Clemens von Sachsen Fürstbischof von Freising und Regensburg. Als Prinz von Polen und Sachsen war er zuvor im österreichischen Kriegsdienst in Wien. Daraus ist Clemens wegen seiner schlechten Gesundheit ausgeschieden und in den geistlichen Stand gewechselt. An ihn tritt die Kaiserin nun mit dem Ansinnen heran, den Grenzverlauf bei Scharnitz zu ändern.

Die Verhandlungen zwischen Kaiserin Maria Theresia und Bischof Clemens führen am 28. Mai 1766 zum Abschluss des Karwendel-Vertrages. Darin sind Grenzverschiebungen zwischen dem Fürstbistum Freising und Österreich vorgesehen. Die Grenze zwischen Tirol und Bayern wird von der Isar dorthin verlegt, wo sie im Wesentlichen noch heute verläuft, nämlich am Kamm der nördlichen Karwendelkette und des Wettersteingebirges bis hin zur Zugspitze. Freising tritt das Karwendeltal an Österreich ab.

Im Gegenzug für die Gründe nördlich der Isar erhält Freising die Nord- und Ostseite des Wettersteingebirges. Österreich verzichtet auf seine Rechte am Plattach, auf das Raintal und den Ebenwald.

Durch die neue Grenzziehung steht der Instandsetzung und Verstärkung der Wehranlage in Scharnitz nun nichts mehr im Wege. Sie wird zu einer beeindruckenden Festung ausgebaut.

Der Feind im Inneren

Welche Schäden bewaffnete Feinde anrichten können, hat die Porta Claudia schon erlebt. Auch welche Gefahr Wind und Wetter für sie bedeuten, haben wir erfahren. Doch kann sie vor diesen Gefahren bewahrt werden – ganz im Gegensatz zu einer Gefahr, die von innen kommt und gegen die anzukämpfen unmöglich ist. Denn nun ist es die österreichische Politik, die die Existenz der Porta Claudia bedroht.

Kaiserin Maria Theresia stirbt im November 1780 in Wien. 15 Jahre zuvor hat sie ihren Sohn Joseph zum Nachfolger bestimmt; als Kaiser Joseph II. ist er bereits zu ihren Lebzeiten ihr Mitregent. Joseph II. geht als ehrgeiziger Reformer in die Geschichte ein. Er vertritt den aufgeklärten Absolutismus und will die Macht des Adels und des Klerus zurückdrängen. Besonders die katholische Kirche hat bei ihm einen schweren Stand: Ihren „Konkurrenten“, den Juden und Protestanten, sichert der Kaiser die freie Religionsausübung zu, zugleich lässt er katholische Kirchen und Klöster schließen. Joseph ist der Auffassung, dass nur volkswirtschaftlich relevante Einrichtungen eine Berechtigung haben: Klöster, die sich nicht der Erziehung, der Krankenpflege oder anderen sozialen Aufgaben verschrieben haben, werden aufgelöst.

Der Kaiser setzt zahlreiche Reformen um: Er schafft die Todesstrafe ab, die Verurteilten sollen dem Staat mit Zwangsarbeit dienen. 1781 hebt er die Leibeigenschaft auf und erfährt als Befreier der Bauern große Popularität. Darüber hinaus wird das noch heute als „Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch“ gültige „Josephinische Gesetzbuch“ eingeführt.

Sein Reformeifer konzentrierte sich besonders auf Bereiche, in denen Joseph II. Geldverschwendung ortet. So haben Verteidigungsanlagen wie die Porta Claudia für ihn keinen Sinn. Nach dem Tod des bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph 1777 versucht Joseph II. nämlich, Bayern an Österreich anzuschließen. Er sieht dies als Entschädigung für Gebietsabtretungen in den Niederlanden. Sein Anschlussversuch scheitert jedoch, und im folgenden Bayerischen Erbfolgekrieg stehen sich erneut Österreich und Preußen gegenüber. Nach dem Frieden von Teschen 1779 verfolgt Joseph II. sein Ziel aber weiter und setzt sechs Jahre später die zweite große Initiative für einen Gebietstausch Bayern gegen die Österreichischen Niederlande. Doch auch jetzt will der preußische König Friedrich II. nichts davon wissen.

Weil der Kaiser also über Jahre an seinem Glauben festhält, Bayern eingliedern zu können, sieht er im Erhalt einer Grenzbefestigungsanlage in Scharnitz keinen Sinn. Joseph II. lässt alle nicht mehr benötigten Tiroler Festungen versteigern. Was nicht als Ganzes verkauft werden kann, wird abgebaut und in Einzelteilen zu Geld gemacht.

Dieses Schicksal ereilt 1782 auch die Porta Claudia. Verkaufslisten liegen bis heute auf: So kostet ein Wachhaus 120 Gulden. Dächer, Öfen, Nägel und andere Eisenteile sind bei der Bevölkerung beliebt, und der Verkauf spült frisches Geld in die Staatskasse. Nichts bleibt verschont.

Nach der Demontage der Porta Claudia sind ihre Überreste schutzlos der Witterung ausgeliefert. Ist die nächste Katastrophe nun unvermeidlich? Denn schon bald droht der nächste Krieg.

Neuer - Besser- Schöner

Der nächste Krieg steht vor der Türe. Europa lernt einen neuen Namen fürchten: Napoleon Bonaparte. Frankreich schickt sich an Europa kontrollieren zu wollen. Als 1796 Napoleon nach der Eroberung von Mantua einen Appell an die Tiroler richtet, sie sollen den Durchmarsch nach Osten nicht behindern, ist die Tiroler Landespolitik alarmiert.

Die Botschaft Napoleons klingt für die Tiroler arrogant und provokativ: sollte Tirol Frankreich Widerstand leisten und Napoleon am Durchmarsch Richtung Osten hindern, werde auch Tirol angegriffen. Die Tiroler beginnen sich nach dem Aufruf zu organisieren. Dem Willen Napoleons wird nicht Rechnung getragen. Als die Franzosen von Süden nach Tirol vorstoßen, gibt es Krieg.

Unmittelbar nach dem Einmarsch beschließt der Tiroler Landtag den Einsatz der Landesscharfschützen und der Milizen. Die Kämpfe toben zunächst in Welschtirol, der heutigen Provinz Trient. Ende 1796 müssen sich die französischen Truppen nach mehreren Niederlagen wieder nach Mantua zurückziehen. Inzwischen sind auch österreichische Truppen zur Verstärkung in Tirol angekommen. Während die Tiroler die Südgrenze im Auge behalten, versuchen die österreichischen Truppen Mantua einzunehmen, scheitern jedoch im Jänner 1797. Durch die Schwächung der Österreicher wagen die Franzosen eine Gegenoffensive und dringen Ende Jänner bis nach Trient vor. Am 23. März fällt Bozen, einen Tag später Klausen, am 25. März übernehmen sie Brixen.

Im Zuge ihrer Organisierung gegen die Franzosen müssen die Tiroler auch ihre Grenzbefestigungen in Ordnung bringen. Dabei rächt sich die Politik von Joseph II. Tirol muss Festungsanlagen vom Haus Habsburg zurückkaufen – so etwa auch die Festung Scharnitz mit der Leutascher Schanze. Aufwendig werden beide in Stand gesetzt. Neubauten und Erweiterung kosten ca. 163.000 Gulden.

Ende der 1790er-Jahre müssen sich die Franzosen zwar vorübergehend aus Tirol zurückziehen. Neue Offensiven werden aber von Südwesten und Nordwesten her gestartet: im Juli 1800 muss bereits Ehrenberg gegen französische Angriffe verteidigt werden.

Die drohende Gefahr, dass der Krieg auch bis nach Scharnitz kommt, lässt die Porta Claudia zu ihrem größten Umfang in ihrer Geschichte wachsen. Und so fühlt man sich um 1800 bereit den nächsten Angriff abwehren zu können.

Der bauliche Überblick

Wir haben nun die Grenze von Bayern nach Tirol überquert und befinden uns jetzt unmittelbar am Fuße der ehemaligen Wehranlage Porta Claudia.

Das Ausmaß der Porta Claudia zum Zeitpunkt ihrer größten Ausdehnung ist in dem nachstehenden Blick von oben abgebildet. Die Karte stammt aus der Gegenwart, doch können immer noch von oben die Bereiche erkannt werden, wo die Porta Claudia einst stand. In verschiedenen Farben werden ihre damaligen Ausmaße und Konturen über die aktuelle Karte gelegt, um einen Überblick zu geben, welch gewaltiges Bauwerk die Porta Claudia war.

Man kann die Errichtung der Porta Claudia in mehrere Bauphasen unterteilen: die Bauphase 1, hier in Violett dargestellt, entspricht den Befestigungen, wie sie von Claudia de'Medici angeordnet wurden. Dies ist eine Befestigung, die im Süden des Ortes an der Isar errichtet wurde. Dazu kommen ein Palisadenzaun und eine weiter nördlich errichtete Zaunbefestigung, die in einer Darstellung aus dem 17. Jahrhundert abgebildet ist und spätestens 1652 errichtet worden dürfte. Über Scharnitz, dort wo sich heute die XII. Station des Kalvarienbergs befindet, ist bereits ein Blockhaus ausgewiesen, das zum Fort Sankt Nikolo gehört.

Bauphase 2, hier in Hellgrün dargestellt, betrifft die baulichen Veränderungen, die Anfang des 18. Jahrhunderts durchgeführt wurden. Eine neue Talsperre mit Tor und Kapelle wurde im Norden errichtet, der grün umrahmte Gasthof zur Blauen Traube damals als Pulverlager und -depot verwendet. Das Fort Sankt Nikolo erhält einen Holzzaun.

Bauphase 3 fällt in den Zeitraum der 1760er und 1770er. Sie ist in Gelb dargestellt. Es sind dies die Maßnahmen, die unter Kaiserin Maria Theresia befohlen wurden. Die Festung wird im Norden ausgebaut, ein neuer Geschützstand wird hinzugefügt, die vier westlichen Bergbastionen werden bis ganz an die oberste Felswand des Berges hinauf gezogen und Erweiterungsbauten im Kasernenbereich der Wehranlage kommen hinzu.

Schließlich in Blau: die Bauphase 4. Es sind Maßnahmen, die zwischen 1796 und 1800 zur Verstärkung der Befestigung durchgeführt wurden, wie die Errichtung des Vorwerks oder eine zusätzliche Palisade vor einem entlang der Nordmauer von West nach Ost gezogenen Wassergraben.

Die Festungsforscher unterteilen die Porta Claudia aber auch räumlich in drei Bauteile: den östlichen Bereich der Bergbastion, der sich zum steil abfallenden Fels hin bewegt und heute von allen Bereichen am wohl schlechtesten erhalten ist. In der Mitte der Porta Claudia liegt die "Tor-Bastion", zu der die Gebäude links und rechts des Straßenverlaufs ebenso zählen wie das Haupttor mit seiner Kapelle oder die Kaserne an der Isar. Schließlich ist der westliche Teil als "Isar-Bastion" bezeichnet, er beinhaltet die baulichen Befestigungsanlagen auf der westlichen Seite der Isar, sowohl das Vorwerk als auch die vier Bergbastionen, die sich entlang der Mauer befinden.

Bilder aus dem Kartenmaterial der damaligen Zeit, kombiniert mit heutigen Luftbildern, lassen eine Verortung der Bauteile der Porta Claudia gut sichtbar werden.

Berg und Wasser als Verbündete

Wir begeben uns nun in die Isarbastion hinauf. Bereits hier ist gut erkennbar, wie sehr die natürlichen Gegebenheiten für die Erbauer eine Rolle spielten und welche Vorteile man für sich nutzbar machte.

Links unterhalb dieses Bauabschnitts verläuft die Isar. Der Fluss begrenzte einerseits den Hauptteil der Festungsanlage, andererseits wird die Isar auch später dazu verwendet um Wassergräben zu fällen und zu fluten, das Wasser wurde zur Torbastion und weiter nach Osten geleitet.

Rechts sehen wir in jüngerer Zeit instand gesetzte Bauteile wie ein Tor. Die Mauern wurden entlang des Berges gezogen, aber auch verschiedene Stollen in den Berg hinein getrieben. Genutzt wurden sie als Lager und Aufbewahrungsbereiche. Feinde mussten sich, sofern nicht in der Mitte des Tales angreifend, hinauf begeben, um gegen die Mauern der Festung anzustürmen. An dieser Stelle, wo wir uns jetzt befinden, ist der unterste der Befestigungsbereiche – mit einem Zugang für die Infanterie, die ihn nutzte um die höher gelegenen Bauteile der Anlage zu erreichen. Auf dem Weg nach oben, den wir gleich weiter gehen werden, treffen wir einen zweiten Bauteil der Festung, von der man aus zu den Vorwerken gelangte.

Die natürlichen Gegebenheiten aus Gebirge und dem Verlauf der Isar waren auch die Hauptgründe, weshalb es die jeweiligen Landesherrinnen vorzogen die Befestigungen nördlich der Isar zu errichten, auch wenn damit Fremdgrundbenutzung oder Gebietstauschverträge notwendig waren.

Die östlichen Anlagen

Wir befinden uns nun an einem Platz, von dem man aus das gesamte Ausmaß der Porta Claudia im Tal überblicken kann. Dort, wo die alten Zollgebäude stehen, war das Tor, dahinter zog sich der Wall entlang bis zum Berg hinauf. Dort gab es eine Bergbastion, die sich bis hinauf an die Felsenkante zog.

Auf den Bildern sehen wir hier eine alte Karte, wie die Festungsanlage im Osten ausgesehen hat, daneben ein aktuelles Luftbild. Noch gut sichtbar sind hier im Wald und am Verlauf der Grundgrenzen der Felder wo sich der Festungswall befunden hat. Auch die Umrisse des Geschützstandes "Kavalier" sind noch gut feststellbar, hier eingerahmt in Hellgrün. Als Vergleich zeigen wir auch ein Modell der Porta Claudia.

Die wesentlichen Gebäude beim "Kavalier" waren ein Bürgerhaus, in dem die Offiziersquartiere untergebracht waren, hier als Nr. 2 bezeichnet. Das heutige alte Zollgebäude im Osten war zur damaligen Zeit die Kommandantenwohnung (Nr. 3) der Festungsanlage und wie man an Mauerwerken an der Seite des Gebäudes gut erstehen kann verbunden mit der Hauptfestungsmauer. Neben diesem Gebäude befindet sich die "Alte Burg", das damalige Zeughaus, auf das wir später noch gesondert eingehen werden.

Ein wichtiger Bereich der östlichen Anlagen ist auch ein Gebäude, das als Artellerie-Laboratorium verwendet wurde. Hier wurden Munition und Schwarzpulver erzeugt. Interessanterweise wird in der Literatur häufig das Mauerwerk ganz im Osten als "Teufelsküche" bezeichnet, noch häufiger ein Bereich im Westen der Porta Claudia nahe beim Vorwerk. In der Überlieferung scheint die "Teufelskuch'l", wie sie im Volksmund bezeichnet wird, einen Bezug zu heftigen Gefechten zu haben und auf Bereiche, in denen es den Angreifern besonders übel ergangen sei. Aufgrund der ungenauen Verortung drängt sich heute aber eher die Vermutung auf, dass mit der "Teufelsküche" wohl der Standort des Artillerielaboratoriums gemeint ist. Dort, wo Pulver und Schrot hergestellt wird, wo Chemie vermischt und zu gefährlicher Munition verwandelt wird, ist der Begriff der "Teufelsküche" wohl angebracht. Vermutlich dürfte die Überlieferung die ursprüngliche Bezeichnung verzerrt haben.

Von dem Punkt aus, wo wir uns gerade befinden, sieht man gut auf den Standort der östlichen Anlagen hinunter. Wie sehr Geschichte nachwirkt ist hier auch durch eine Feuerstelle sichtbar, die von den Scharnitzer Schützen heute verwendetet wird, um hier die traditionellen jährlichen Bergfeuer anzuzünden.

Die Stallungen

Wir erreichen nun einen Bereich, der von den Einheimischen seit jeher als „bei den Stallungen“ bezeichnet wurde. Es ist dies der dritte Bauteil der Wehranlage und die vorletzte Bastion vor dem obersten Felsvorsprung. Wie auch die letzte und oberste Bastion verfügt diese über einen Kasemattenkomplex, in die Erde bzw. den Fels getriebene Verteidigungsräume. Darüber sind Wehrgänge zu sehen.

Insgesamt waren es einmal drei Räume, die so gut geschützt waren, dass sie auch heftigen Beschuss aushalten sollten. Dass einer der Räume heute noch so gut erhalten ist, obwohl die Porta Claudia 1805 gesprengt wurde, dient als eindrucksvoller Beweis.

Errichtet wurden diese Anlagen ebenso wie die weiter oben liegenden Kasematten in den 17760er- bzw. 1770er-Jahren, im Zuge des Ausbaus der Festung. Heute geht man davon aus, dass in den Gewölben Munition, aber auch Nahrung und verschiedene Gegenstände gelagert wurden. Sie dienten als Magazin. In der Mitte dieses Platzes, heute nicht mehr sichtbar, gab es ein Wachhaus. Der Begriff der „Stallungen“ lässt vermuten, dass Waren, Vorräte, Waffen und Munition mit Tieren die Wege hinauf gebracht wurden und diese nicht sofort wieder in den Ort zurückkehrten, sondern auch in diesem Bereich versorgt wurden und blieben. So lange, bis ihr nächster Einsatz kam und Nachschub von Versorgungsgütern wie Lebensmittel und Wasser besorgt werden musste. Der Überlieferung nach, wurden die Tiere in einem Anbau der Wachstube untergebracht. Vermutlich war der Anbau aus Holz. Nähern wir uns dem Gewölbebau, sehen wir auch auf einen weiteren Zugang zu den Vorwerken, diesmal von oben. Zwischen dieser dritten Bastion und dem Vorwerk befand sich ein gewinkelter Verbindungsgang, der heute noch erhalten ist. Wenn man diesen Bauteil betrachtet, fallen auch immer wieder die Schießscharten auf, die sich im Mauerwerk befinden.

Das Vorwerk

Wir sind nun gerade aus von den Kasematten der dritten Bastion zu einem Bereich der Mauer gegangen, von dem man einen überwältigen Blick nach Bayern hat. Als Vorbereitung für die Feierlichkeiten zum Tiroler Landesgedenkjahr 2009 wurde dieser Bereich größtenteils von Bäumen befreit und zeigt sich heute ungefähr so, wie er nach der Sprengung und Zerstörung der Porta Claudia ausgesehen hat.

Es ist ein Teil des Vorwerks, in dem wir stehen. Das Vorwerk, wie auf der Karte ersichtlich, geht noch weit hinunter und schließt dort an eine untere Talsperre an, die als „Maulögg“ oder „Mauleck-Redoute“ bezeichnet wird. Da sie weiter unten liegt, diente die Mauleck-Redoute dazu um den Hügel und das darunter liegende Gelände abzusichern. Hier, wo wir uns befinden, ist der obere Teil dieses Vorwerks, der als „Flesche“ bezeichnet wird.

„Fleche“ ist ein Begriff aus dem Französischen, der so viel wie „Pfeil“ bedeutet und die in der Abbildung hier dargestellten zackenförmigen Winkel der Mauer beschreibt. Üblicherweise baute man solche Flechen, um die darüberliegenden Bastionteile mit einer zusätzlichen Feueretage auszustatten.

Die Fleche hier diente im Gegensatz zur Mauleck-Redoute dazu, die linke Flanke der Mauer abzudecken. Erkennbar ist auch, dass hier einst Wälle aufgeschüttet und mit Palisaden abgesichert wurden.

1805 ließ der französische Marschall Ney die bayrisch-französischen Truppen zunächst genau hier einen Sturmangriff gegen das Vorwerk führen. Erst als dies misslang, versuchte er den weiter oben liegenden Teil der Festung anzugreifen. Die Offensiven scheiterte jedoch kläglich: über 1.800 Gefallenen waren bei diesen Angriffen zu betrauern.

Die Bergbastion

Wir sind nun einige Zeit die Festungsmauer entlang nach oben gegangen. Nun befinden wir uns an der obersten Bastion, der vierten Verteidigungsanlage des Befestigungssystems. Auch hier gibt es wieder eine Wachstube, die zumindest von den Grundmauern heute noch gut erkennbar ist.

Die Mauern sind hier besonders hoch. In ihrem oberen Bereich sind Holzbalken zu erkennen, die einst die Wehrgänge getragen hatten. Auf der unten stehenden Abbildung kann man gut erkennen, welche Typen an Wehrgängen es auf der Mauer gegeben hat. Einige waren durch das abfallende Gelände für die Verteidiger ebenerdig, während es nach der Mauer steil nach unten ging. Andere Wehrgänge waren links und rechts von Mauern umgeben und die Mauer, die wir hier mit den Holzresten am oberen Bereich sehen können, gehörte zu jenen, wo sich sowohl unterhalb bei den Schießscharten Kämpfer auffalten konnten als auch auf den Holzplateaus, die sich als Laufstege entlang der Mauer zogen. Diese Laufstege werden Wehrgänge genannt.

Von hier aus zieht sich die Mauer der Porta Claudia bis ganz hinauf zum Felsvorsprung. Dabei verjüngt sie sich, wird niedriger, je steiler das Gelände wird. In diesem Bereich waren keine Kanonen oder ähnliches eingesetzt – hier stationiert waren reine Infanteriekämpfer.

Abgesehen von der noch nach oben führenden Mauer sind wir nun am obersten Punkt der Befestigungsanlage. Hier endet der Weg und führt nunmehr nach Süden, den Berg entlang in Richtung Ort, bzw. dorthin, wo sich heute ein Kalvarienberg befindet. Dieser Weg führt nun nicht mehr nach oben, sondern führt nach unten. Es ist der Verbindungsweg zwischen der alten Befestigung, die Fort Sankt Nikolo heißt, und den Bergbastionen der Porta Claudia.

Verbunden und nicht Verbunden

Zwischen den jüngeren Bauteilen der Porta Claudia und den ältesten Bauteilen, besonders dem Fort Sankt Nikolo, besteht ein Verbindungsweg, den wir nun abgehen. Immer wieder sehen wir Mauerreste und Befestigungsüberbleibsel. Das Fort Sankt Nikolo ist auch der am weitesten innerörtlich gelegene Punkt der Porta Claudia, zumindest in der Zeit ihrer größten Ausdehnung im 19. Jahrhundert.

So nahe die Festung war, so fern waren sich aber auch die Menschen. Zwischen Dorfbewohnern und Militärs gab es öfters Animositäten. Dies dokumentiert sich insbesondere in der Frage des Gottesdienstbesuchs. Scharnitz war keine eigene Pfarrgemeinde. Um die Seelsorge kümmerten sich zunächst Priester aus Mittenwald. Doch die politischen Verwerfungen zwischen Tirol und Bayern wirkten sich auch hier aus. Dort, wo sich heute die Pfarrkirche befindet, gab es seit den 1630ern eine kleine Kapelle, die aus Dankbarkeit über die abgewendete Kriegsgefahr erbaut wurde. Eine eigene Ortsseelsorge kümmerte sich um die Bürger und hielt in der Kapelle die Gottesdienste ab.

Als Anfang des 18. Jahrhunderts die nördlichen Anlagen mit dem großen neuen Haupttor der Porta Claudia errichtet wurden, wurde die Ortsseelsorge aufgelassen und die Scharnitzer mussten den Militärgottesdienst besuchen. Für die Dorfbewohner war dies keine gute Entscheidung. Über die Jahre häuften sich Beschwerden über das Verhalten, das den Zivilisten gegenüber entgegen gebracht wurde. Ein besonderes Ärgernis war dabei das Verhalten gegenüber jungen Mädchen und Frauen, die sich vor und nach dem Gottesdienstbesuch von den Männern der Verteidigungsanlage belästigt fühlten.

1786 wird Scharnitz nach zahlreichen Interventionen schließlich wieder eine eigene Kaplanei und bekommt auch zum ersten Mal einen eigenen Pfarrer. Zehn Jahre später wird die Pfarrkirche errichtet. Die Kapelle, die sich dort befunden hatte, war zu klein geworden.

Das Fort Sankt Nikolo

Wir gelangen nun in einen Bereich, wo sich heute die letzten drei Stationen des Kalvarienbergs befinden. Rund um uns herum befinden sich Mauerüberreste, die Zeugnisse des ehemaligen Forts Sankt Nikolo sind. Zu unserer Linken befindet sich die Grabeskapelle des Kalvarienbergs, die XIV. Station. Die heute liebevoll gepflegte Kapelle wurde erst nach 1900 errichtet und zwar an genau jener Stelle, wo sich einst ein Zugangstor zum Fort befand.

Die damalige Scharnizer Ortschronistin, Sieglinde Heiss, hat sich mit den Mauerwerken, den Umrissen und der Lage des Forts auseinandergesetzt und anhand der Überreste eine Karte erstellt. Auf diesem gezeichneten Plan ist erkennbar, dass man von zwei Seiten in das Fort gelangen konnte – durch den Torbogen bei der heutigen Grabeskapelle und auf der anderen Seite, wo der Weg des Kalvarienbergs nach oben führt.

In der Mitte des einstigen Forts steht heute die XII. Station des Kreuzwegs – ein großes Holzkreuz, das nach der Zerstörung der Porta Claudia 1805 bzw. 1809 an dieser Stelle aufgestellt und 1898 ersetzt wurde. Überhaupt wurde mit dem Bau des Kreuzwegs unmittelbar nach der Zerstörung der Wehranlage begonnen. Auf dem schmalen Steig, den wir hinunter gehen werden, wurden gleich 1805 die fünf gemauerten Kreuzwegstationen errichtet.

Das Fort Sankt Nikolo war ursprünglich neben dem Fort Claudia, das an der Isar lag, der obere Teil der zweiteiligen Befestigungsanlage. Man hatte einen guten Blick auf die einstige Grenze. Im 17. Jahrhundert bestand dieses Fort aus einem Holzgebäude und entsprechenden Palisaden rundherum. Das Mauerwerk wurde ein Jahrhundert später beim Ausbau der Festung errichtet und verstärkte das Fort entsprechend.

Bevor wir den Kalvarienberg entlang hinunter ins Dorf gehen, genießen wir noch den Ausblick und blicken auf die Isar-Brücke. Dort lag die alte Grenze vor 1766 – und links von der Isar, wo heute der Aufgang zum Ortsteil Inrain beginnt, wurde die allererste Befestigungsanlage der späteren Porta Claudia errichtet. Das Gelände, das sich links der Isar befindet, weist aufgrund seiner Höhenentwicklung und seinem weiteren Verlauf nach Norden darauf hin, wo sich früher die erste Befestigungsanlage befand. Wir haben versucht auf einer Landkarte des heutigen Scharnitz den vermutlichen Verlauf der ersten Verteidigungsanlage einzuzeichnen. Grundlage für diese Zeichnung sind die Geländeformation und eine Zeichnungsskizze, die von den Gebrüdern Gumpp angefertigt wurde.

Einkehr an der Isar

Wir sind nun vom Kreuzweg aus auf der Porta-Claudia-Straße entlang bis zur Kirche gegangen. Dass die Straße Porta-Claudia-Straße heißt, hat damit zu tun, dass an ihrem Ende ein Weg zur Porta Claudia hinaufführt. Nunmehr stehen wir an der Isarbrücke, direkt an der frühen Grenze, wo schon im 16. Jahrhundert Zölle eingehoben und Durchreisende kontrolliert wurden.

Dabei ist nicht die Kirche das älteste Gebäude um uns herum, sondern das Gasthaus Goldener Adler. Schon im 15. Jahrhundert befand sich hier ein Hof, der urkundlich erwähnt im Jahre 1473 dem Pfleger der Burg Schlossberg als Erblehen verliehen wurde. 1675 wurde aus dem Hof eine Wirtstaverne. Man kann sich gut vorstellen, dass sie für die Straße und Grenze passierende Händler und Reisende eine willkommene Rastmöglichkeit war, gab es doch an der Grenze über die Isarbrücke schon seit 1611 ein Wachhäuschen mit Absperrung und auch Zölle wurden eingehoben, sehr zum Ärgernis der Werdenfelser Fuhrleute.

Mit dem Bau der ersten Befestigungsanlage unter Claudia de Medici 1633 hielten sich an diesem Ort weitaus mehr Menschen auf als zuvor. Aus wirtschaftlicher Sicht der ideale Standort für ein Wirtshaus.

Blickt man auf die andere Seite der Isar, dann sehen wir hier genauso wie zuvor am Kalvarienberg die Geländeformation mit ihren Steigungen. Versetzt man sich in das 17. Jahrhundert zurück, kann man sich aufgrund der Anordnung der heutigen Gebäude auf der anderen Seite der Isar gut vorstellen, dass hier Palisaden, Zäune und Grenzbefestigungen errichtet waren.

Blicken wir zurück auf den Berg im Westen, wo wir vorher waren, erkennen wir sehr gut, welche gute Lage das Fort Sankt Nokolo dort hatte und wie es von dort aus möglich war alles im Tal im Blick zu haben.

Die Blaue Traube und das Ballenhaus

Wir durchqueren immer noch das Dorf. Doch wir nähern uns immer mehr der Porta Claudia. Das Gebäude, zu dem wir nun gekommen sind, ist auf einem alten Modell, das im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum steht, bereits deutlich ersichtlich. Es handelt sich um den ehemaligen Gasthof Blaue Traube. Die Blaue Traube war ein Wirtshaus. Wie schon der südlich gelegene Gasthof zum Goldenen Adler war auch die Traube ein gut besuchter Gastbetrieb, der von Durchreisenden und Händlern gerne genutzt wurde, um Pferde zu tränken, zu rasten und auch zu übernachten. Waren und Güter, die die Durchziehenden mitbrachten, wurden gegenüber der Blauen Traube aufbewahrt in einem Ballenhaus. Dieses Ballenhaus ist heute nicht mehr existent, nur mehr der Teil einer Seitenmauer erinnert uns noch daran. Auf alten Fotografien ist das Ballenhaus jedoch noch erkennbar, genauso wie sein Standort auf dem vorher erwähnten Modell.

Nach der Errichtung der nördlichen Teile der Wehrfestung wurde die Blaue Traube immer bedeutender. Nicht nur, dass sich die Verteidigungskräfte bei der Wehranlage gerne in einem nahe bei ihnen liegenden Gasthaus aufhielten – es hatte auch eine strategische Bedeutung.

1703, als sich die Festungsanlage im Kampf gegen die bayerischen Truppen bewähren musste, wurde den Berichten zufolge im Eiskeller der Blauen Traube das Waffenpulver gelagert. Weiter wird berichtet, dass nach dem Einrücken der Bayern dieses Munitionsdepot gesprengt wurde. Eine Darstellung, der heute in Zweifel zu ziehen ist, hätte doch so eine Sprengung das Gebäude selbst auch beschädigt. Wahrscheinlicher dagegen ist, dass vom Eiskeller der Blauen Traube aus ein unterirdischer Gang zu diesem Schwarzpulverlager geführt hat. Ein alter Bogen im Eiskeller des Gasthofes legt nahe, dass es einen Gang gab, der später verschüttet wurde. Betrachtet man die Ausrichtung des Ganges, so würde er geradewegs zu einem weiteren Gebäude führen, das einst zur Wehranlage der Porta Claudia gehörte: dem Zeughaus.

Es darf daher angenommen werden, dass das Pulverlager in einem Kellerverlies zwischen Blauer Traube und dem Zeughaus, wo ja Waffen gelagert wurden, eingerichtet war. Dieses Lager wurde gesprengt – und damit auch der Verbindungsgang verschüttet. In späteren Berichten wird nicht mehr erwähnt, dass die Blaue Traube für die Zwecke der Wehranlage verwendet wurde.

Die alte Burg

Bereits die Blaue Traube befindet sich im Scharnitzer Ortsteil Schanz, durch den wir uns gerade bewegen und dessen Name auch auf die Befestigung der Wehranlage zurückgeht.

Vor uns befindet sich nun ein Gebäude, das als die „Alte Burg“ bezeichnet wird. Dieses Gebäude gehörte zum Komplex der Torbastion der Porta Claudia und wurde als Zeughaus genutzt. Hier befand sich auch die Kommandozentrale der Festung. Wie bereits erwähnt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es durch einen unterirdischen Gang einst mit der Blauen Traube verbunden war.

Als Zeughaus bezeichnet man ein Waffenarsenal. Hier wurden jene Waffen aufbewahrt, die man im Kriegsfall an die Schützen und Soldaten ausgab um die Festung zu verteidigen. Vom Artillerielaboratorium, einem Gebäude im Osten der Anlage, wurde Schwarzpulver und Munition angeliefert und, wenn Nachschub gebraucht wurde, von hier aus die Isarbastion hinauf zu den vier Bergbastionen gebracht.

Noch heute sind Waffen aus der Zeit der Napoleonischen Kriege erhalten. Dorfbewohner haben Exponate aus diesen Zeiten über Generationen aufbewahrt. Kanonenkugeln, Gewehre oder Bajonette warten auf den Tag, an dem sie in einem Museum ausgestellt werden können. Auf einem Bild sehen wir hier Beispiele dafür, die im Zuge einer historischen Sonderausstellung im Gedenkjahr 2009 der Öffentlichkeit gezeigt wurden.

Das Gebäude der „Alten Burg“ ist sehr gut erhalten und vor nicht allzu langer Zeit renoviert worden. Ab 1946 war bis in die 1960er-Jahre dort eine Brillenfabrik untergebracht, der nördliche Teil noch bis in die 1980er-Jahre bewohnt.

Die Straße, die am alten Zeughaus vorbei führt, war früher freilich schmäler. Sie wurde im 20. Jahrhundert verbreitert, alte Gebäude – wie das vorher beschriebene Ballenhaus, fielen dem Ausbau zum Opfer. Der Neubau des Zollgebäudes auf der westlichen Seite forderte weiteren Tribut und führte zur Zerstörung von weiteren baulichen Relikten. Der Platz zwischen den beiden ehemaligen Zollgebäuden links und rechts und dem Zeughaus stellt sich deshalb heute wesentlich größer dar, als er zur Zeit der Hochblüte der Porta Claudia war.

Das Haupttor

Wir blicken nun direkt auf die beiden ehemaligen Zollgebäude. Zwischen den beiden befand sich die nördliche Talsperre der Porta Claudia, die im Zeitraum 1705 bis 1711 erbaut wurde. Während der Regierungszeit von Kaiserin Maria Theresia wurde sie nach 1766 entsprechend erweitert und ausgebaut. Zu diesen Erweiterungen gehört auch ein Wassergraben mit entsprechender Befestigung, der das Wasser von der Isar ableitete und den Graben bis zum östlichen Felsanschluss flutete.

Blickt man heute auf die Straße, muss man sich vorstellen, dass dort einst das große Haupttor der Porta Claudia bestand. Dieser Bauteil der Wehranlage wird auch Tor-Bastion bezeichnet. Über dem Zugangstor befand sich eine 1705 eingerichtete Kapelle und die Wohnung des zur Kapelle gehörenden Kaplans. Geweiht war die Kapelle dem Heiligen Josef, wie schon berichtet, fanden im 18. Jahrhundert auch die Gottesdienste für die Scharnitzer Dorfbevölkerung beim Militärkaplan statt.

Betrachtet man das östliche ehemalige Zollgebäude, so entdeckt man ganz an seinem Nordende einen alten Teil der ehemaligen Festungsmauer. Hier verlief die Mauer samt vorgelagertem Graben nach Osten. An dieser Wand angeschlossen war der Torbereich der Festung, der freilich heute nicht mehr existiert.

In Oberammergau befindet sich heute im Museum ein Modell der Torbastion. Der Schlachtenmaler Georg Lang war es, der aus zahlreichen Zeichnungen und Skizzen daheim dieses Modell schuf. Mit hunderten beweglichen Figuren stellte er die Belagerung der Festung 1805 dar. Dieses Modell, das er Max II. von Bayern zum Geschenk machte und heute im Museum in Oberammergau besichtigt werden kann, zeigt uns sehr gut, wie das Tor gesichert war. Vor dem Graben befanden sich Palisadenbefestigungen aus Holz, über dem Tor ist gut die Kapelle erkennbar. Eine Brücke führte über den Graben. Auf der Mauer gab es Verteidigungsposten.

Lang fertigte insgesamt zwei dieser Reliefmodelle an. Das eine, das an Max II. ging, wurde in späteren Tagen auf Jahrmärkten und Ausstellungen in Bayern gezeigt. Das zweite Exemplar dieses Modells wurde als Geschenk an Napoleon Bonaparte geschickt.

Das Festungstor wurde zusammen mit der Wehranlage 1805 geschliffen. Und doch finden sich auch heute noch von Zeit zu Zeit Überreste. Als die Umfahrungsstraße in Scharnitz gebaut wurden, mussten Unterkonstruktionen des Festungsbaus noch archäologisch gesichert werden. 2019 werden bei einem Bauprojekt rechts hinter den Zollgebäuden weitere Mauerreste gefunden. Auch hier führte das Denkmalamt eine Begutachtung durch und erfasste die historische Struktur.

Die Kaserne

Wir sind nun vom Torbereich etwas zurückgegangen, verfolgten den Schanzweg bis wir zur Isarpromenade kamen und begaben uns auf dieser bis zu jenem Punkt, an dem wir uns nun befinden. Die Bezeichnung der vorher abgegangenen Straße - "Schanzweg" - ist ein weiterer Straßenname in Scharnitz, der direkt von der Porta Claudia abgeleitet wird.

Nun befinden wir uns an der Rückseite des ehemaligen westlichen Zollgebäudes und können auf eine große Wiese und einen Hügel blicken. Der Hügel war einst Teil des Walls, auf dem das Mauerwerk der Porta Claudia errichtet war, das bis zur Isar reichte. Würde man heute in diesen Hügel hinein graben, würde man auf Steinreste der Mauer stoßen. Der Platz, der heute als "Porta Claudia Arena" bezeichnet wird, umfasste damals den von Mauern umschlossenen Bereich der Festungskaserne.

Die Kaserne bestand aus insgesamt drei Gebäuden: direkt an der Straße und seitlich an die Mauer beim Haupttor angeschlossen befand sich das Innere Wachthaus. Es war etwas schmäler als das heutige Zollgebäude und lag von seiner Position nicht so weit hinten. Ein Vergleich einer aktuellen Karte aus der Vogelperspektive und einem Plan der damaligen Festung zeigt uns eindeutig, dass das Wachthaus um einiges östlicher als das heutige Gebäude lag.

Das zweite Gebäude, das zum Kasernenkomplex gehörte war das Pulvermagazin. Es ist heute noch sehr gut erhalten und von unserer Position aus rechts sichtbar. Obwohl es von außen wenig ansehnlich aussieht, ist das Gebäude innen mit seinem Gewölbe noch sehr gut intakt, sollte allerdings saniert werden um es längerfristig als historisches Denkmal zu erhalten. Im Pulvermagazin wurde die Munition gelagert.

Zwischen dem Pulvermagazin und dem Inneren Wachthaus lag, an die heute noch sichtbare südliche Mauer rechts hinten angebaut, das eigentliche Hauptgebäude der Kaserne. Heute ist nichts mehr davon erhalten. Seinen Standort können wir aber ungefähr dort ausmachen, wo es heute beim alten Zollgebäude den Zugang zur Porta-Claudia-Arena gibt.

Die Mauer, die diesen Arena-Bereich umgibt, der früher auch als Garten des Zollgebäudes fungierte, ist bereits in den alten Plänen zur Porta Claudia enthalten und existierte deshalb schon zur damaligen Zeit.

Nach der Auflassung der Zollämter nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 01.01.1995 bzw. dem Beitritt Österreichs zum Schengener Abkommen, das 1998 in Kraft trat, wurden die nicht mehr benötigten Zollkontrollhütten abgebaut, die Zollgebäude vom Staat verkauft. Das westliche Zollgebäude wurde durch die Gemeinde Scharnitz angekauft. Heute befindet sich darin u.a. das Büro der Ortschronik und das Vereinslokal des Kunst- und Kulturvereins Scharnitz, der sich auch mit der Geschichte der Porta Claudia auseinandersetzt.

Im ehemaligen Kasernenhof wurde 2009 eine Bühne errichtet, auf der Theateraufführungen und musikalische Veranstaltungen stattfanden, Festmessen zelebriert und Volksfeste abgehalten wurden. Aufgrund der vielfachen Nutzung und dem Hügel, der bei diesen Gelegenheiten mit Sitzgelegenheiten wie eine Tribüne ausgerüstet wurde, wurde die Bezeichnung "Porta Claudia Arena" für diesen Platz eingeführt. Auch in Zukunft sollen hier Veranstaltungen mit historischem Bezug stattfinden, die Arena ausgebaut werden.

Das Wehr

Wir verlassen den Bereich der Kaserne und spazieren die Isarpromenade entlang. Hier auf der Isar-Promenade finden wir einen der besten Ausblicke, um uns vorstellen zu können, wie früher das Wasserwehr und die dazugehörige Brücke verlaufen ist.

Hinter den Mauern befanden sich Brücken, die von der Festung über die Isar führten. Aber das Mauerwerk der Torbastion und jenes der Isarbastion, die sich westlich den Berg hinauf zieht, waren auch durch ein Wehr miteinander verbunden. Dieses Wehr, das man auch auf den verschiedenen Modellen der Porta Claudia erkennen kann, war nicht nur ein Hindernis, das für einen Angreifer eines Wassersperre darstellte, sondern mit dem man auch die Ableitung der Isar zum Wassergraben regulieren konnte.

Die Brücke über dem Wehr diente sowohl als Verbindung zwischen den beiden Festungsteilen als auch als zusätzlicher Verteidigungsbereich gegen einen heranrückenden Feind. Gerade das Modell in Oberammergau, obwohl es nicht maßstabgetreu ist, zeigt gut, wie das Wehr einst ausgesehen haben muss.

Sieht man auf die andere Seite der Isar, kann man das Mauerwerk noch gut erkennen, das zum Wehr und seiner Befestigung gehörte. Es gab insgesamt zwei Bereiche des Wehrs, den nördlichen mit einer Schleuse zum Fluten des Grabens und einen südlicheren, über den ebenfalls eine Brücke führte und der durch die links der Isar empor führenden Befestigungsbereiche gesichert war.

Heute fließt die Isar ungehindert von Scharnitz nach Mittenwald und füllt unterwegs auch keine Wassergräben mehr.

Die letzte Schlacht

1805 bringt der dritte Koalitionskrieg neue Allianzen hervor: Bayern und Württemberg sind nun mit Frankreich verbündet. Österreich ist durch eine bittere Niederlage militärisch geschwächt und muss seine Truppen zusammenziehen. Tirol wird sich selbst überlassen. Ein schwerer Fehler, vermuten Franzosen und Bayern, die ihre Chance gekommen sehen, das Land einzunehmen.

Am 4. November 1805 finden hier auf diesem Boden und an der Leutascher Schanze die schwersten Kämpfe zwischen den französisch-bayerischen Truppen und den Tirolern statt. Während bei der Porta Claudia rund 900 Männer unter dem Kommando von Oberstleutnant Robert von Swinburne stehen, rücken zehn Mal so viele Bayern und Franzosen unter der Führung von Marschall Ney gegen Scharnitz vor. Trotz dieser erheblichen militärischen Unterlegenheit schaffen es die Tiroler aber, die Einnahme der Porta Claudia abzuwehren. 1.800 französische Soldaten und einhundert Tiroler lassen bei dem Kampf jedoch ihr Leben.

Wie beim „Bayerischen Rummel“ hundert Jahre zuvor greifen die Franzosen nun auf die Strategie zurück, die Schleichwege um die Porta Claudia zu nutzen. Wieder ist es ein Einheimischer aus Mittenwald, der sie über einen Bergweg über die Grenze führt. Damit umgehen Teile des französischen Heeres die Festung und greifen sie von hinten an. Die Tiroler sind jetzt eingekesselt, sie müssen kapitulieren. Der Weg, den die Franzosen diesmal genommen haben, ist bis heute als „Franzosensteig“ bekannt.

Der Fall der Porta Claudia hat schwerwiegende Folgen für gesamt Tirol. Marschall Ney rückt über Seefeld hinunter ins Inntal vor und marschiert am 5. November 1805 in Innsbruck ein. Das Unheil nimmt seinen Lauf. Am 2. Dezember verliert Österreich die Schlacht bei Austerlitz und muss im Frieden von Pressburg Tirol an Bayern abtreten.

Nun zeigt sich, dass Napoleon die militärischen Demütigungen durch die Tiroler nicht vergessen hat. Tirol soll zerschlagen werden. Der Name wird verboten, das Land in die drei bayerischen Verwaltungskreise Inn, Etsch und Eisack gegliedert. Der Landtag wird aufgelöst.

Auch vor der Porta Claudia machen die Besatzer nicht halt. Sie soll als Bollwerk und Symbol des Tiroler Widerstandes dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Bayern sprengen und schleifen die Festung. Der Schaden ist weitaus größer als beim „Bayerischen Rummel“ hundert Jahre zuvor.

Scharnitz ist Besetzt

In den Jahren der französisch-bayerischen Besetzung Tirols sind Repressalien gegen seine Bevölkerung an der Tagesordnung. Der französische Befehl, 1.000 Tiroler zum Kriegsdienst in die französische Armee einzuziehen, ist nach vier Jahren der Unterdrückung allerdings der Tropfen, der für die Bevölkerung das Fass zum Überlaufen bringt.

1809 wollen die Machthaber mit hundert bayerischen Soldaten eine Rekrutierung in Axams erzwingen. Aber eine heimlich zusammengestellte Einheit des Landsturms nimmt sie gefangen. Daraufhin erhebt sich die Bevölkerung im ganzen Land gegen die Besatzer. Unter französischem Kommando schlagen bayerische Soldaten mehrere Aufstände nieder. Doch die Tiroler sind gut organisiert, und ab April können sie erste Siege gegen die Bayern verbuchen.

Um die Aufständischen zu bezwingen, wird Graf Arco mit 300 Männern von Bayern Richtung Innsbruck abkommandiert. Im Mai besetzen sie Scharnitz, halten dem Tiroler Landsturm aber nur einen Tag stand und müssen sich nach Mittenwald zurückziehen. Der Landsturm versucht mehrfach, die Bayern dort anzugreifen, doch schließlich gelingt es diesen, die Festungsruine und damit Scharnitz in einer Gegenoffensive zurückzuerobern. Um die Aufständischen zu bestrafen, wird das Dorf Ende Mai niedergebrannt.

Nach der dritten Bergisel-Schlacht im August 1809 müssen sich die bayerischen Besatzer aber allerorts zurückziehen und räumen auch Scharnitz. Die Tiroler versuchen sogleich, die Grenze neuerlich zu befestigen und sich in den Ruinen der Porta Claudia festzusetzen. Doch die napoleonischen Truppen schlagen noch einmal zurück. Am 25. Oktober überrennen sie die Scharnitzer Befestigung, plündern das Dorf und stecken es ein weiteres Mal in Brand.

Dieser Schlag im Oktober 1809 wird in diesem Krieg das letzte Mal sein, dass um die Porta Claudia Blut vergossen wird. Doch für Tirol ist der Kampf noch nicht vorbei.

Das Erbe der Porta Claudia

Die Porta Claudia ist seit 1805 endgültig zerstört. Nur Ruinen erinnern an ihre Existenz. Gemeindebürger nehmen in weiterer Folge Steine, Holzbalken, Eisenteile und andere Dinge mit, die sie selbst noch für ihre Häuser und Ställe brauchen können. Das Ausschlachten der Wehrruine fügt ihr noch mehr Schaden zu. Und wieder leistet auch Wind und Wetter seinen Beitrag um die Ruinenanlage weiter verwittern zu lassen.

Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts dient die Porta Claudia nur mehr als romantisches Ruinen-Motiv für Ansichtskarten. Besonders der untere Torbogen der Isarbastion, der von allen Mauertoren am besten erhalten ist, tut es den Besuchern an. Durch das Tor hat man einen Blick auf Scharnitz.

Es ist die Zeit, in der sich auch die Literatur mit historischen Geschichten auseinandersetzt und Ruinen einen besonderen Reiz ausüben. Auch Bücher, wie das im 20. Jahrhundert erschienene Werk "Der Kanzler von Tirol", in dem über Wilhelm Biener geschrieben wird, arbeiten Geschichte in Romanform auf und versuchen eine eigene Darstellung der Ereignisse dem Leser nahezubringen.

Künstler beschäftigen sich aber auch heute mit der Porta Claudia. Der 1999 gegründete Kunst- und Kulturverein Scharnitz hat eine eigene Künstler- und Fotogruppe, deren Mitglieder sich in der Vergangenheit immer wieder künstlerisch mit der Grenze und der Wehrruine auseinandersetzten. Als die Musikkapelle Scharnitz vor Jahren in den Vatikan eingeladen wurde, malte Helmut Blaha von der Perspektive des Mauerwerks der Porta Claudia aus ein Bild mit dem Blick nach Bayern, das dem damaligen aus Bayern stammenden Papst Benedikt XVI. als Gastgeschenk gebracht wurde. Da alle Geschenke an den Papst ihren Weg in die Vatikanischen Museen nehmen, ist der Blick von der Porta Claudia nach Bayern nunmehr dort verewigt.

Ein letztes Echo

Als das III. Reich seine Schatten über Bayern und ab 1938 Tirol legt, trägt für das Gau Tirol-Vorarlberg ein Mann die Verantwortung: Franz Hofer. Er ist es, der im Zweiten Weltkrieg nach den zunehmenden Gebietsverlusten des NS-Regimes massiv bei Adolf Hitler interveniert und die so genannte "Alpenfestung" bewirbt. Hofer glaubt die Alpen am besten verteidigen zu können und schlägt den Bau von Befestigungsanlagen vor.

Hitler und sein Führungsstab haben für das Projekt zunächst wenig Zeit um sich damit zu beschäftigen, erst als sich 1945 die Niederlage der Nationalsozialisten abzeichnet, gibt Hitler Hofer grünes Licht um die "Alpenfestung" aufzubauen. Und wieder ist es Scharnitz, das in Zentrum der Geschehnisse rückt.

Nicht der Standort der Porta Claudia ist es, den Gauleiter Franz Hofer im Auge hat. Es ist das Eppzirl: in diesem Tal, das man von Gießenbach aus erreichen kann, wird eine Kaserne errichtet. Am Scharnitzpass sollen die vorrückenden Feinde zwar auch aufgehalten werden, die Wehrmacht sollte sich aber im Eppzirl sammeln.

Die Zeit spielt aber gegen das NS-Regime. Immer weiter stoßen Amerikaner, Sowjets und ihre Alliierten in deutsches Gebiet vor und besiegen die Wehrmacht. Am 1. Mai 1945 erreicht die 103. US-Infanterie-Division die Grenze bei Scharnitz. Am 29. April waren an der Grenze Panzersperren errichtet worden, die die Alliierten aufhalten sollen. Besetzt wurden die Befestigungen allerdings hauptsächlich mit 40 Mitgliedern der Hitler-Jugend. Die letzte Schlacht an der Stelle, wo einst die Porta Claudia stand, dauerte nicht lange, doch gab es auch diesmal auf beiden Seiten zahlreiche Tote und Verwundete.

Der Hitlerjugend gelang es einen Panzer der herankommenden Amerikaner abzuschießen. Der Widerstand an der Grenze wurde durch diesen unerwarteten Erfolg als gefährlicher eingestuft als er tatsächlich war. Umso heftiger fielen die Gefechte aus, bis Scharnitz schließlich eingenommen wurde.

Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 1. Mai 1945 war das letzte Gefecht an der Grenze geschlagen. Dort, wo 1703 die Soldaten fielen, wo 1805 das Blut in Strömen floss, wurde zum letzten Mal Blut vergossen. Der letzte Kampf bei der Porta Claudia ist damit geschlagen.

Eine neue Zeit

Ist die Ära der Porta Claudia nun endgültig vorbei?

Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts begannen sich Initiativen zu gründen, die die Meinung vertraten, die alte Wehrruine auch als kulturelles Erbe zu betrachten und ihren touristischen Wert zu sehen. Vielerorts führte der Tourismusboom im 20. Jahrhundert dazu, dass Gäste aus den verschiedensten Ländern sich für Ruinen, alte Burgen und Schlösser interessierten. Schließlich wurde bekannt, dass es auch in Scharnitz Ruinen gab, die anzusehen sich lohnen würde.

Mit Norbert Goldschmid, einem Einheimischen, hatte sich schließlich jemand gefunden, der sich bereit erklärte Besucher und Gäste zur Ruine Porta Claudia zu führen. Dabei zeigte er den Besuchern nicht nur den heute gut sichtbaren unteren Teil der alten Wehrruine, sondern führte die Gäste bis hinauf zu den oberen Bastionen und hinüber zum heutigen Kalvarienberg, entlang der Strecke, die wir heute als Porta-Claudia-Rundwanderweg erleben können.

Norbert Goldschmid ist einer der Pioniere, die sich dafür einsetzten, die Porta Claudia den Interessierten zugänglich zu machen und ihre Geschichte zu erzählen. Auch in der Gemeinde Scharnitz setzte sich langsam die Auffassung durch, dass es sich bei der Porta Claudia nicht nur um einen "Steine-Haufen" handelte, sondern sie ein Zeugnis der Tiroler Landesgeschichte war. So wurden auch in den 1980er-Jahren Sanierungsarbeiten am unteren Teil der Porta Claudia wahrgenommen, um zum Jubiläum des Tiroler Freiheitskampes 1984 einen Teil des Kulturerbes präsentieren zu können.

In der Zeit 1986 bis 1992 war Dr. Reinhold Wöll Bürgermeister von Scharnitz, auch er versuchte Sanierungsmaßnahmen bei der Porta Claudia zu forcieren. Der Innsbrucker Universitäts-Professor und in Scharnitz lebende Historiker Dr. Fritz Steinegger setzte sich immer wieder für ein Dorfmuseum ein, das besonders die Porta Claudia berücksichtigen sollte.

Doch erst 1999 gelang es mit der Gründung des Kulturvereins Scharnitz einen Verein zu etablieren, der die vielen Kämpfer für die Sanierung der Porta Claudia vereinte und sich einsetzte. 2004 lanciert der Kulturvereine die Idee einer Baustein-Aktion für die alte Wehrruine. 2007 übernimmt der damalige Bürgermeister Walter Lechthaler die Vorschläge des Kulturvereins für eine Wiederherstellung von Teilen der Porta Claudia und die Bewahrung dessen was noch intakt ist. Es wird der Verein zum Erhalt der Porta Claudia gegründet, dem auch der Kulturverein angehört.

Dieser Verein, der heute von der amtierenden Bürgermeisterin Isabella Blaha geführt wird, setzt sich heute weiterhin für ein grenzüberschreitendes Projekt der Sanierung und der Bewahrung der Porta Claudia als Kulturerbe ein und kann auch mit kleinen Schritten und Veranstaltungen immer wieder sein Engagement unter Beweis stellen.

Ein Mahnmal für Europa

Die Porta Claudia hat auch eine europäische Dimension. Aus einem Symbol des Krieges, der Grenze und der Teilung, kann durch Betrachten der Geschichte das Ziel der europäischen Einigung abgeleitet und erkannt werden: das friedliche Zusammenleben der Menschen unabhängig von Grenzen in einem vereinten Europa, in dem Kooperation und Zusammenarbeit Talente, Fähigkeiten und Ideen zusammenbringen.

Als 2009 das Land Tirol anlässlich der Tiroler Freiheitskämpfe ein Gedenkjahr abhält, ist es in Scharnitz die Grenze und ihre Geschichte, die in den Mittelpunkt gerückt wird. In zahlreichen Veranstaltungen wird das Thema "Grenzen überschreiten", Zusammenleben "ohne Grenzen" beschworen und transportiert. Künstler stellen ihre Gedanken in Werken dar, eine geschichtliche Ausstellung bringt den Menschen die Vergangenheit näher und Filme und Musik sind als Koproduktionen ein lebendiges Zeugnis der bayerisch-tirolerischen Zusammenarbeit.

Immer wieder wird auch die Europäische Idee betont. 1995 tritt Österreich nach einer erfolgten Volksabstimmung 1994 der Europäischen Union bei, 1998 folgt der Beitritt zum Schengener Abkommen. Damit wird als sichtbares Zeugnis auch die durch die Zollämter dargestellte Grenze abgebaut. Der Grenzübertritt ohne Kontrollen wird zum Alltag. Erstmals seit dem Bau des Zollhäuschens 1611 an der Isar kann man ungehindert zwischen Bayern und Tirol reisen.

Politiker, wie der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, unterstützen die Bemühungen der Scharnitzer und Mittenwalder Vereine durch die Symbolkraft der Porta Claudia das Wesen der Europäischen Einigung zu betonen und bei ihr, z.B. in der Arena, entsprechende Veranstaltungen durchzuführen.

Wenn einst die Porta Claudia wieder von den Bäumen befreit ist, ihre Pracht wieder zeigen kann, dann wird sie ein weiteres Mal wiederauferstehen und für Europa eine neue Botschaft haben: das Gemeinsame über das Trennende zu stellen und alle ehemaligen Kombatanten zu Mithelfern zu machen, um auch den nächsten Generationen ihre Geschichte zu erzählen – eine Geschichte, wie wichtig Frieden und Freiheit ist und welch Leid und Unheil Kriege und Hass bescheren können.